Die Fachwerkstadt Bodenwerder an der Weser. Hier lebte Baron von Münchhausen, bekannt als der „Lügenbaron“.
450 Kilometer schlängelt sich die Weser durch das Weserbergland und die Norddeutsche Tiefebene, bis sie bei Bremerhaven in die Nordsee mündet. Kleine Fachwerkstädte und Dörfer begleiten ihren Lauf. Eine davon ist die kleine Stadt Bodenwerder.
Wo Werra sich und Fulda küssen
Sie ihre Namen büßen müssen.
Und hier entsteht durch diesen Kuss
Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss.
So steht es auf einer Tafel in Hannoversch Münden, dort wo aus dem Zusammenfluss von Werra und Fulda die Weser entsteht. 60 Kilometer oberhalb liegt die kleine Stadt Bodenwerder. Bekannt ist Bodenwerder als Geburtsort und Wohnsitz von Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen. Er ging als Lügenbaron in die Geschichte ein.
Knapp 6000 Einwohner hat Bodenwerder. Fischer, Schiffer und Handwerker gründeten den Ort vor über 1000 Jahren. Damals lag Bodenwerder auf einer Insel in der Weser. Eine planmäßig angelegte Siedlung.
Die Stadt des Baron Münchhausen
Die Stadt nennt sich „Münchhausenstadt“, denn der Freiherr von Münchhausen, der Lügenbaron, wurde hier geboren. Erlebte und starb hier.
Am Rand der Altstadt steht der ehemalige Wohnsitz von Münchhausen. Das ehemalige Herrenhaus eines Gutshofs, später bezeichnete man es Schloss, wurde 1603/09 von Münchhausens Vater gebaut. Hieronymus v. Münchhausen wurde hier am 11. Mai 1720 geboren und verbrachte in diesem Haus seine Kindheit. Mit 13 begann seine Militärlaufbahn. Sie führte in nach Russland, wo er am Russisch-Österreichischen Türkenkrieg teilnahm. Mit 31 Jahren kehrte er zurück in sein Geburtshaus nach Bodenwerder, ging hier „in Rente“.
Und er begann, einen Freundeskreis um sich zu scharen. Es war jene Herrenrunde, vor der Münchhausen dann seine fantasiereichen Geschichten über seine Zeit in Russland erzählte. Geschichten, die bis heute mit seinem Namen verbunden sind.
Münchhausens Wohnhaus ist seit 1936 das Rathaus der Stadt. Vor dem Rathaus steht seit den 60er Jahren der Münchhausenbrunnen. Die Bronzefigur zeigt Szene aus einer der bekanntesten Geschichten von Münchhausen: Darin erzählte er, wie er mit seinem Pferd durch das Festungstor des Feindes ritt, als das Fallgatter plötzlich hinunterfiel und das Pferd halbierte. Mit dem Vorderteil ritt Münchhausen dann bis zum Marktbrunnen und tränkte dort das Pferd. Als er dem Pferd einen Klaps geben wollte, bemerkte er erst, dass das Hinterteil fehlte. Das Wasser, was das Pferd soff, floss hinten wieder hinaus.
Denn zweiten Teil der Geschichte findet man als Plastik am Weserufer dargestellt. Die hintere Hälfte des Pferdes nämlich fand man auf einer Weide wieder. Der Regimentshufschmied schnappte sich das Hinterteil, nahm es mit und heftete die beiden Teile des Pferdes mit Lorbeersprossen wieder zusammen.
Der Münchhausenbrunnen
Natürlich sind noch weitere Geschichten Münchhausens in Bodenwerder dargestellt. Am Münchhausenbrunnen in der Fußgängerzone findet man den „Ritt auf der Kanonenkugel und die Entenjagd. Münchhausen erzählte in der Geschichte, wie er Brotkrumen an eine Leine band. Die Enten fraßen das Brot und hingen somit alle an der Leine. Als Münchhausen die Enten mit nach Hause nehmen wollte, flogen die Enten an der Leine mitsamt Münchhausen zum See zurück.
Natürlich gibt es auch ein kleines Münchhausen-Museum. Das steht gleich neben Münchhausens Wohnhaus. Das Haus heißt Schulenburg und war ganz früher ein Wohnturm. 1350 gebaut, ist es das älteste Gebäude der Stadt. Münchhausen nutzte das Gebäude als Zehntscheune. Später war hier eine Gerberei drin. Das Haus wurde mehrfach umgebaut, hat also zu Münchhausens Zeit ganz anders ausgesehen.
Auf der anderen Seite des Wohnhauses steht die ehemalige Brennerei der Münchhausens. Heute ist hier die tourist information.
Der Ort, an dem gelogen wurde
Einige Meter vom Wohnhaus entfernt steht in einem Hang die Münchhausen-Grotte. Die ließ Münchhausen 1763 bauen. Das zweistöckige Grottenhäuschen ist der Ort, an dem Münchhausen in seiner Herrenrunde die fantasiereichen Geschichten erzählte.
Münchhausen wollte nie, dass seine Geschichten die Grotte verließen. Er hätte sie nie außerhalb der Runde erzählt. Einige seine Gäste aber schrieben die Geschichten auf und veröffentlichten sie. Einer davon war Rudolf Erich Raspe. Er war Kurator am „Kunsthaus“ in Kassel und musste wegen finanzieller Probleme nach England flüchten. Dort gab er ein Buch in englischer Sprache mit den Geschichten Münchhausens heraus, in dem er Münchhausen als Erzähler nannte. Das Buch wurde in England ein Erfolg. Raspe veröffentliche daraufhin mehrere Auflagen, schrieb eigene Geschichten unter dem Namen Münchhausens dazu.
Vom Erfolg hörte in Deutschland der Schriftsteller Gottfried August Bürger in Göttingen. Er übersetzte 1786 Raspes Buch ins Deutsche. Und auch dieses Buch wurde ein Erfolg.
Münchhausen dagegen hatte außer viel Spott nichts vom Erfolg der Bücher. „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abentheuer des Freyherrn von Münchhausen“ wurde zur Weltliteratur.
Münchhausens Grab in Kemnade
1797 starb Münchhausen, einsam und verarmt. Nach dem Tod seiner Frau hatte er nochmals geheiratet. Eine 20-Jährige. Doch die Ehe scheiterte. Wegen ehelicher Untreue reichte der 73-jährige Baron die Scheidung ein. Ein kostspieliger Scheidungsprozess folgte. Die Anwälte der Frau erfanden damals das Wort LÜGENBARON für Münchhausen. Seinen Geschichten würden beweisen, dass Münchhausen auch in Ehesachen lüge.
Münchhausen verlor durch den Prozess fast sein ganzes Vermögen. Gut Bodenwerder musste er an seinen Neffen Wilhelm abtreten. Er fühlte sich durch seine Ehe und Raspes Buch der Lächerlichkeit preisgegeben. Er war ruiniert und auch einsam.
Im Bodenwerder Ortsteil Kemnade wurde er beerdigt. Das dortige Kloster Kemnade wurde um 960 gegründet. Namensgebend für das Kloster war der beheizbare Raum des Frauengemaches, die caminata. Daraus leitete sich auch der Name des Dorfes ab.
Vom ehemaligen Kloster ist nur die Klosterkirche erhalten. Sie steht inmitten eines Ensembles aus Fachwerkhäusern und den Resten der Dorfkirche. In der Kirche befand sich die Familiengruft der Münchhausens und hier wurde auch Hieronymus beigesetzt. Die Gruft existiert heute nicht mehr. In der Vierung erinnert eine Steinplatte im Boden an den Freiherrn von Münchhausen.
Alte Fachwerkhäuser in der Altstadt
Von Kemnade zurück in die Altstadt von Bodenwerder. Vom Münchhausenhaus aus sind wir nach wenigen Schritten in der Fußgängerzone. Mitten auf der Straße steht übrigens die Stadtkirche St. Nicolai.
Auf diesem Merian-Stich von 1654 kann man die Insellage Bodenwerders erkennen. Der eine Arm wurde 1948 zugeschüttet. Seitdem ist Bodenwerder keine Weserinsel mehr. Den Arm hat man zugeschüttet, weil es durch die Insellage immer wieder zu Überschwemmungen in der Stadt kam.
Ein Ritter „Bodo“ von der Homburg gilt als erster Herr von Bodenwerder. Fügt man seine Vornamen mit dem Wort WERDER, das bedeutet Insel, zusammen, erklärt sich der Stadtname Bodos Insel gleich Bodenwerder.
Wo bis 1948 die Weser floss ist heute eine Straße. Und daran liegen eine Menge Parkplätze. Hübsch sind die Fachwerkhäuser der Altstadt, teilweise mit Verzierungen und Sprüchen versehen.
Von der Homburgstraße aus sehen wir die beiden sogenannten ehemaligen Bremer-Lagerhäuser. Sie stammen aus den Jahren 1604 und 1624. Gebaut wurden sie von einem Bremer Überseekaufmann. Mächtige Eichenbalken und bunte Rosetten. Die Fassade ist mit Ornamenten und Inschriften verziert.
Gegenüber steht alte Apotheke aus dem Jahr 1625. An der Fassade gibt es verschiedene Inschriften, Wappen und Motive.
Wir folgen der Straße und kommen zum alten Fährhaus aus dem 17. Jahrhundert. An dieser Stelle wurde die Weser bis 1883 im Wechsel von Fähren, Schiffsbrücken und Brücken überquert.
Das älteste Haus
Das älteste Haus von Bodenwerder wurde 1484 gebaut. Gegenüber steht ein dreigeschossiges Fachwerkhaus, das Prigge-Haus. 1654 als Pastorenhaus gebaut, wurde es 150 Jahre später zur Buchdruckerei der Familie Prigge umgebaut. Im Erdgeschoss befand sich zur damaligen Zeit ein Buchhandel. In den anderen Geschossen waren die Druckerei und die Buchbinderei zu finden.
Der Festungsturm im Hagen. Ein runder Turm aus dem 13. Jahrhundert. Er ist der Rest der damaligen Stadtmauer mit ihren Festungstürmen. Hier floß der Weserarm.
Am Ende des Rundgangs kommen wir zur Weserpromenade von Bodenwerden. Absolut sehenswert ist sie. Friedlich, ruhig, beschaulich. So wie die ganz Stadt.