Am Koloss von Prora | Rügen

Der Koloss von Prora, ein 1936 geplantes Seebad der Superlative.

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Prora, diesen Ort auf der Insel Rügen müssen Sie gesehen haben. Sie kennen die Bettenburgen an Urlaubsorten im Süden? Ein Hotel neben dem anderen entlang des Sandstrands, Ferienort für tausende Urlauber – zwangsläufige Folge des Massentourismus unserer Zeit.

Aber: So neu ist die Idee der Bettenburg nicht. Entstanden ist sie unter den Nationalsozialisten. Die Ruine „Prora“ auf Rügen, ganz in der Nähe des Seebades Binz, ist die bis heute sichtbare Folge einer Idee „des Führers“. Der „Koloss von Prora“, ein 1936 geplantes Seebad der Superlative, – der Mythos und die Geschichte beschäftigen bis heute Einwohner, Urlauber und die Politik.

4,5 Kilometer lang, sechs Stockwerke hoch

Wir verlassen die L29, die von Sassnitz nach Binz führt, stellen den Pkw auf einem der Parkplätze entlang der Straße ab und folgen dem Richtungsschild „KdF-Bad Prora“. Wenige Schritte später taucht der erste der mausgrauen Blocks zwischen den Bäumen auf. Erst auf der fast schnurgerade führenden „Strandstraße“, die entlang des Blocks führt, ergibt sich der Blick nach rechts und links. Insgesamt 8 dieser gewaltigen grauen Blocks haben hier in Reih und Glied gestanden.

Jeder 550 Meter lang und sechs Stockwerke hoch. Ein jeder sah aus wie sein Nachbar. „Prora“, die Bettenburg der Nazis für 20 000 Urlauber. 4,5 Kilometer ist die Teilruine lang. Einer der geschichtsträchtigen Orte der Neuzeit auf Rügen.
Über die Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) wollten die Nationalsozialisten den Lebensstandard heben und gleichzeitig eine ideologisch und propagandistisch geprägte Sozialpolitik für die neue Volksgemeinschaft ins Leben rufen. Dazu gehörte auch der Urlaub (man darf nicht vergessen, dass erst die Nationalsozialisten den Urlaubsanspruch von einer auf zwei bis drei Wochen verlängerten). Ferien bei Kreuzfahrten auf KdF-eigenen Schiffen und Badeurlaub in insgesamt fünf zu bauenden Seebädern gehörten dazu. Von den Bädern wurde nur Prora in Angriff genommen.

1936 begann der Bau von Prora. Architekt war Clemens Klotz (er ist der Sohn des damaligen Chefs des Kölner Hänneschen Theaters und auch der Architekt der Burg Vogelsang in der Eifel), der unter Leitung von KdF-Chef Robert Ley arbeitete.

10.000 Zimmer, Kino, Gaststätten, Wellenbäder

Was war in den acht Blöcken geplant? 10 000 kleine Zimmer (2,5 x 5 Meter; zwei Betten, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Handwaschbecken, Lautsprecher; alle mit Meerblick), Treppenhäuser und Fahrstühle, Gemeinschaftshäuser mit Gaststätten, Speiseräume, Kegelbahnen, Leseräume, Wellen-Schwimmbäder, beheizbare Liegehallen, Kino, Aufmarschplatz, Bootsanleger und eine gewaltige Festhalle.

Der Weg entlang der „Strandstraße“ scheint endlos. Grau in grau, leere, stumpfe Fenster. Immer wieder Graffiti. Unterführungen ermöglichen das Erreichen der anderen Seite. Gleichförmig auch hier die Fassade. Endlos. 150 Meter sind es bis zum Strand. Bäume und Sträucher wachsen hier. Nur wenige Pfade ermöglichen das Durchkommen zum Strand. Der Anblick bleibt trostlos.

In Prora machte nie jemand Urlaub

Bis zum Kriegsanfang 1939, danach wurden die Bauarbeiten eingestellt, waren nur die Bettenhäuser fertiggestellt. Urlaub gemacht hat in dem Monsterbau nie jemand. Die Baustelle wurde in der DDR militärisches Gelände. Hier waren NVA-Soldaten kaserniert, Militär wurde ausgebildet, Straflager eingerichtet. Prora wurde die monumentalste Kasernenanlage in der DDR. Dieses unrühmliche Kapitel endete erst 1990, als zunächst die Bundeswehr, später dann der Staat das Gelände übernahm. Und der konnte zunächst wenig mit der Ruine anfangen.

Einige Teile der Riesenbauten heute sind Ruinen, da die Sowjetarmee dort Sprengübungen machte, andere Blocks stehen ungenutzt da, in andere zogen Museen (immerhin auch mit einer nachgebauten DDR-Arrestzelle) ein. Ein weiterer Teil wird heute als Jugendherberge genutzt, ein anderer zu modernen Ferienwohnungen umgebaut.

Prora ist Teil der Geschichte der Nazis und der DDR – heute aber Ruine, die teilweise anderes genutzt wird. Zum einen sind die Ruinen Überbleibsel des „schönen Scheins“ der nationalsozialistischen Sozialpolitik, zum anderen Zeugnis des untergegangenen real existierenden Sozialismus. Denn der Ort gehörte zu den berüchtigtsten Kasernenanlagen (Damals erhielt Prora auch die mausgraue Farbe.) der DDR. Geschichtsträchtig ist der Ort als Zeuge zweier Diktaturen auf jeden Fall. Darum steht er auch unter Denkmalschutz.

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