Und plötzlich steht man in einem russischen Dorf. Mitten in der Stadt Potsdam. „Alexandrowka“ heißt der Ort. Die Häuser des Dorfes wurden 1826 auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. im russischen Stil erbaut. Sie sind bis heute bewohnt oder Museum.
Sie sind grün und auch rot. Schmackhaft sehen sie aus. Unzählige scheinen es zu sein. Die großen und kleinen Äpfel, die an den vielen Obstbäumen auf den Wiesen der Kolonie Alexandrowka derzeit auf die Ernte warten. Hier, mitten in Potsdam, eine 2000 Quadratmeter große Wiese mit Apfelbäumen zu finden, ist schon interessant. Doch dass dieser Teil einer vor fast 200 Jahren angelegten russischen Kolonie mit 14 immer noch bewohnten Häusern ist und die Siedlung seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört – das erstaunt und fasziniert.
Wie das russische Dorf Alexandrowka nach Potsdam kam
Einige Einwohner sind übrigens tatsächlich echte Nachfahren der ersten Bewohner. Die Häuser wurden 1826 auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. im russischen Stil erbaut. Ein Akt der deutsch-russischen Freundschaft, wenn man es so sehen will.
Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I., der eine aus dem Hause Hohenzollern, der andere ein Romanow, haben sich gut verstanden. Die Gattin des Zaren, Alexandra Fjodorowna, war Friedrich Wilhelms Tochter Charlotte. Schon 1805 hatten sich der König und der Zar am Grabe Friedrichs des Großen ewige Freundschaft geschworen. Wenig später zieht Napoleons Armee durch Europa. König Wilhelm III. will sich neutral verhalten, wird aber im „Frieden von Tilsit“ von Napoleon gezwungen, an der Seite der Franzosen am Russlandfeldzug 1812 teilzunehmen.
Die Preußen brachten während des Krieges rund 60 russische Soldaten als Gefangene nach Potsdam. Da einige der Russen vorzügliche Sänger waren, plante der König nun einen “Russischen Chor” mit 12 Sängern zu bilden. Sie sollten das preußische Heer mit “Gesang und Tamburin und Glöckchen” unterhalten, heißt es in der Überlieferung. Der russische Zar war von der Idee seines königlichen Freundes so angetan, dass er ihm die Sänger – Napoleon war inzwischen geschlagen – später einfach „schenkte“.
Als 1825 sein Freund der Zar starb, fasste Friedrich Wilhelm einen Entschluss. Er notierte: „Es ist Meine Absicht, als ein bleibendes Denkmal der Erinnerung an die Bande der Freundschaft zwischen mir und dem hochseeligen Kaisers Alexander von Rußlands Majestät, bei Potsdam eine Colonie zu gründen, welche ich mit den, von Seiner Majestät mir überlassenen Russischen Sängern als Colonisten besetzen und Alexandrowka benennen will.“
Das Denkmal einer Freundschaft
Eine Kuh für jeden Bewohner als Geschenk
Ein Arzt rettete das Haus
Und das vor allem wegen der reizvollen Schnitzereien an den Hausfronten. Die übrigens sollen mit denen im russischen Original in Pawlowsk identisch sein. Nummer 2 ist heute Museum. Den ehemaligen Stall nutzt man als Kassengebäude, Shop und Café, in einem Teil des Gartens stehen die dazu gehörenden Tische und Stühle. Das obere Stockwerk von Haus Nummer 2 ist vermietet, dort befindet sich ein Büro.
Seit 2005 ist das Haus Museum. Davor war das Gebäude dem Verfall nahe. Ein Arzt aus Haltern in Westfalen, Dr. med. Herman A. Kremer, brachte die Rettung. Kremer, er gründete die „Potsdam Stiftung“ und finanzierte auch den Wiederaufbau anderer Bauten in Brandenburg, ließ das Haus Nummer 2 restaurieren, ebenso das Haus Nummer 8, das er ebenfalls erwarb.
In mehrjähriger Arbeit wurden die Häuser restauriert.
Im Innern des Museums sind nicht nur Tafeln zu Geschichte der Kolonie zu sehen, auch ein wiedererrichteter Ofen und der Küchenherd zeigen die Einrichtung eines Hauses zur Zeit der ersten Siedler. Haus Nummer 2 war von Anfang an als Museum geplant. Nicht nur an die Geschichte Alexandrowkas sollte erinnert werden – die Siedlung als solche soll erhalten bleiben, so das Ziel von Dr. Kremer, der als Stiftungschef auch Besitzer des Museums ist.
Friedrich Wilhelm III. hatte festgeschrieben, dass die Häuser der Sänger immer nur an einen männlichen Nachkommen der Bewohner vererbt werden durften. Ist kein Nachkomme da, fällt das Haus an die Stadt.
Drei Familien stammen noch von den ersten Siedlern ab
Drei der Familien stammen noch von den ersten Bewohnern ab. Andere Häuser dagegen wurden verkauft. Aber alle sind derzeit bewohnt. Neben der kleinen russischen Kirche zum Beispiel wohnt der Erzpriester der russisch-orthodoxen Gemeinde und in einem der anderen Häuser hat sich Potsdams Oberbürgermeister heimisch eingerichtet. Und dann ist da noch das Haus mit der Nummer 1. Das ehemalige Aufseherhaus ist heute Restaurant. Eines, in dem es russische Spezialitäten gibt natürlich.
Das Museum erinnert an sie: die russischen Sängersoldaten, die hier als erste einzogen. Sie hießen Unteroffizier Stephan Nikitin Wolgin und Feldwebel Iwan Pawloff Wawilow und Fedor Vockin. Schilder erinnern an diese drei und die anderen ersten Bewohner der Häuser. 1861 starb mit D. Sergeeff der letzte der russischen Sänger, die 1826 hier eingezogen waren.
Im Garten hinter dem Museum wachsen fast 500 verschiedene renaturierte Obstgehölze. Zwischen kleinen Apfelbäumen stehen die Stühle und Tische des Museumscafés.
Ein Vogel hüpft von einem Ast zum anderen. Zwischen den grünen und auch roten, den schmackhaft aussehenden Äpfeln im Garten der russischen Kolonie Alexandrowka, mitten in Potsdam ist es gemütlich.
Service:
Museum Alexandrowka
Russische Kolonie
Alexandrowka 2
Potsdam
Alexandrowka liegt 700m Meter nördlich des Stadtzentrums von Potsdam Vom Hauptbahnhof erreicht man die Kolonie mit den Buslinien 604 und 609 und 629 (Haltestelle „Am Schragen“) Die Tram-Linien 92 und 96 fahren ebenfalls „Am Schragen“ an. Mit dem Pkw oder zu Fuß der Ausschilderung „Alexandrowka“ ab Stadtzentrum folgen.
Dr. Frank Bauer says:
Ich würde ja einmal das zum großen Teil von mir verfaßte Museumsbegleitbuch lesen, um solchen Unsinn wie „Die Preußen brachten während des Krieges rund 60 russische Soldaten als Gefangene nach Potsdam. Da einige der Russen vorzügliche Sänger waren, plante der König nun einen “Russischen Chor” mit 12 Sängern zu bilden.
Sie sollten das preußische Heer mit “Gesang und Tamburin und kleinen Glöckchen” unterhalten, heißt es in der Überlieferung. Der russische Zar war von der Idee seines königlichen Freundes so angetan, dass er ihm die Sänger – Napoleon war inzwischen geschlagen – später einfach “schenkte”.