Auf der Suche nach den Orten an denen Günter Grass Buch „Die Blechtrommel“ spielt, stößt man auf die Polnische Post in Danzig. Sicherlich, der Besuch ist kein Sightseeing im üblichen Sinn.
Das Gebäude ist keine touristische Attraktion, nichts kulturhistorisches Bedeutsames, kein Muss auf dem Weg kultureller Bildung im Urlaub. Die Polnische Post in Danzig ist ein Ort grausamer Ereignisse. Ein Tatort. Ein Ort zum Schweigen. Für mich war der Besuch ein berührender Augenblick, ein Besuch in der Stille. So wie stets, wenn wir auf die Spuren deutscher Geschichte der Jahre 1939-45 treffen.
Die Post liegt in der Altstadt von Danzig. Die Marienkirche ist in der Nähe und wenige Straßen entfernt liegen Krantor und Rathaus der Rechtstadt. Ich stehe auf dem Platz vor der Polnischen Post. Das Gebäude ist längst wieder aufgebaut. Unten ein kleines Museum, darüber Wohnungen. Ein Kulturzentrum liegt ebenfalls hier.
In einem Übungsraum versucht sich bei offenen Fenstern eine Gruppe am Metal. Der harte Sound erinnert für Augenblicke an Maschinengewehrsalven, an Einschläge von Granaten. Am 1. September 1939 war die Post, neben der Westerplatte, einer der umkämpften Orte. Eine Einheit der deutschen Wehrmacht schoss hier auf 50 polnische Postbeamte, die sich verteidigten.
Der Angriff auf die Post
1939: Die Polnische Post befindet sich auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig. Fast ausschließlich von Deutschen bewohnt, gehört Danzig, aufgrund des Vertrags von Versailles, nicht zum Deutschen Reich. Vom Völkerbund waren der Polnischen Republik 17 Standorte in Hafennähe in der Stadt zugelassen worden. Einer war zum Beispiel das Munitionsdepot Westerplatte. Das Postgebäude in der Altstadt war ebenso einer der Standorte. Ob hier tatsächlich eine polnische Geheimdienstgruppe untergebracht war, ein Waffenlager existierte, – noch heute sind sich die Historiker darüber nicht ganz einig.
Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr begannen die SS-Heimwehr Danzig und Polizeitruppen den Angriff auf das Gebäude. 57 Personen, 50 davon Postbeamte, verteidigten sich. Sturmtruppen, ein Geschütz und Radpanzer gegen Maschinenpistolen, Gewehre und Handgranaten.
Am Abend – inzwischen hatten die Angreifer ein Loch in die Fassade gesprengt und Benzin in die Kellerräume geschüttet – ergaben sich die überlebenden Postbeamten. Wer nicht sofort danach erschossen wurde, kam vor ein (später als skandalös angesehenes) Gericht, wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ein Kapitel deutscher Geschichte, das betroffen macht, wenn man diesen Ort aufsucht.
Günter Grass: „Die Blechtrommel“
Günter Grass ließ im Postamt wichtige Szenen der „Blechtrommel“ spielen. Trommler Oskar ist hierhergekommen, um seine Trommel von einem der Postbeamten reparieren zu lassen. Wegen ihm wird sein vermutlicher Vater, der hier in der Post arbeitet, angeschossen. Im Keller spielt man Karten, als Wehrmachtssoldaten das Gebäude stürmen. Jan Bronski, Oskars mutmaßlicher Vater, wird erschossen. Oskar gibt sich als Kleinkind aus und wird von einem deutschen Soldaten weggetragen.
Eine Fantasie, ein Rausch der Worte. Unreal, wie der Versuch, das Geschehen am 1. September 1939 zu verstehen. Neben der Post erinnert ein Denkmal an diesen Tag. Ein verletzter Postbeamter, am Boden liegend, überall verstreute Postsendungen. Der Postler reicht Siegesgöttin Nike einen Karabiner. Ein Denkmal, das als Symbol für den Widerstand der Polen gegen die Wehrmacht steht. So wie auch die wiederaufgebaute Post.
Heveliusplatz 1/2
plac Obroncow Poczty Polskiej 1/2