Berchtesgaden | Im Kehlsteinhaus am Obersalzberg

Oberhalb des Obersalzbergs in Berchtesgaden liegt auf 1800 Meter das Kehlsteinhaus, das ehemalige Gästehaus des Berghofs.

Teilen

Oberhalb des Obersalzberg in Berchtesgaden thront das Kehlsteinhaus, heute eines der vielbesuchten Ausflugsziele im Berchtesgadener Land.

Warum kommen diese Massen hierher zum Obersalzberg bei Berchtesgaden? Kommen die Touristen wirklich in Scharen, weil hier die Grundmauern von Hitlers Berghof stehen? Oder einfach nur, weil das hier der Obersalzberg ist? Und warum fahren sie Bus an Bus hoch zum Kehlsteinhaus?

Fragen, die mich bewegen, als ich den Pkw auf dem Parkplatz beim Dokumentationszentrum in 1000 Metern Höhe abstellte. Es wimmelt hier von Touristen. Deutsche und Österreicher natürlich.

Aber an diesem Junitag habe ich das Gefühl, mehr Amerikaner hier zu sehen und zu hören. Sie stehen und gehen in kleinen und größeren Trupps. Busreisende. Sie kommen von überall her aus den USA. Einige tragen Shirts, deren Aufdruck zeigt, dass die Träger auf den Spuren der US-Armee im 2. Weltkrieg reisen. Sie alle sind Amerikaner.

Und die verbindet etwas Besonderes mit dem Obersalzberg. Denn hier entstand nach 1945 ein Erholungszentrum, eher ein Rehazentrum, für amerikanische Soldaten. Bis 1995, als das Zentrum aufgelöst wurde, kamen wohl tausende dieser US-Soldaten hierher.

Das Kehlsteinhaus in 1800 Metern Höhe

Und jetzt? Jetzt kehren sie selbst hierher zurück. Und es sind auch ihre Kinder, Enkel oder diejenigen, die von den Geschichten vom Obersalzberg gehört haben, auf ihren Europa- und Deutschlandreisen, die für einige Stunden den Berg betreten wollen.

Da auf dem Obersalzberg aber kaum noch Bauten aus der Zeit, als das hier ein Sperrgebiet der Nazis war, vorhanden sind, es zwar das Dokumentationszentrum zur Geschichte des 3. Reichs gibt und der Obersalzberg ansonsten ein ganz normaler Berg ist, lautet ihr Ziel Kehlsteinhaus. Dieses Haus liegt in 1800 Metern Höhe, stammt von 1938 und ist vollständig erhalten.

Die Amerikaner nennen das Kehlsteinhaus „eagles nest“. Adlerhorst. Angeblich haben die US-Soldaten 1945 das Haus so genannt. Sie haben nicht unrecht. Von unten aus dem Tal sieht es wirklich aus wie ein „eagles nest“.

Damals war es Hitlers Gästehaus, 700 Meter über dem Berghof gelegen. Martin Bormann, der „Bauherr“ auf dem Obersalzberg, hatte es bauen lassen. 13 Monate hatte man gebraucht, das Gästehaus zu bauen. Dazu gehört auch die Kehlsteinstraße. 6,5 Kilometer ist sie lang, schmal, hat nur eine Kehre. Die Straße führt durch 5 Tunnel, überwindet 700 Höhenmeter.

Wer nicht zu Fuß hoch will zum Kehlsteinhaus, der muss den Bus nutzen. Anders geht es nicht. Die fahren im 30-Minuten-Takt, immer 4-6 Stück hintereinander. 16 Euro (Stand: 2019) kostet die Fahrt. An der Kasse druckt man eine Uhrzeit mit der Busabfahrtzeit auf das Ticket. Wir haben eine Stunde auf unsere Abfahrt warten müssen.

Der Bus, ein normaler Linienbus, ist voll bis auf den letzten Platz. Laut ist es drinnen. Eine Truppe Österreicher und eine amerikanische Reisegruppe versuchen sich bei den Gesprächen an Lautstärke zu überbieten. Dazwischen etwas verzweifelte ältere Paare, die versuchen, eine Lautsprecherdurchsage im Bus zu verstehen. Egal, denke ich, da müssen wir durch. Busfahren nämlich mag ich eigentlich überhaupt nicht.

Durch einen Tunnel zum Fahrstuhl

Die Aussicht auf die Landschaft während der Aufwärtsfahrt ist sehenswert. Langsam stampfen die Busse höher und höher. Ober, auf rund 1700 Metern angekommen, müssen wir auf dem Buswendeplatz wieder Schlange stehen. An einem Schalter müssen wir angeben, um welche Uhrzeit wir wieder zurückwollen. Die Tickets werden mit der Abfahrtzeit gestempelt.<

1938 steht über einem Tunneleingang. Da müssen wir rein. Bormanns Truppe baute diesen Tunnel. 124 Meter führt er in den Berg rein. 3 Meter ist er hoch. Die Wände sind feucht. Kalt ist es im Berg. Dann heißt es wieder Schlange stehen. Diesmal in einer Wartehalle vor einem Fahrstuhl.

Der stammt auch von 1938. Die Nazis ließen ihre Gäste auch in dieser Halle warten. Umso größer war wohl die Freunde, wenn endlich die Fahrstuhltür aufging. Eine Inszenierung der Macht, sogar vor einer Lifttür.

Dann der „Fahrstuhl des Führers“. Die Wände mit golden scheinenden Messingplatten verkleidet. Venezianische Fenster, Deko, ein altes Telefon beim Fahrstuhlführer. Angeblich ist alles hier modernste Technik.

Hitler soll das Gästehaus nicht gemocht haben. Wegen des Tunnels und des Fahrstuhls. Angeblich soll er sich gefürchtet haben, hier bei einem Angriff verschüttet zu werden. Ob es stimmt?n Sicher ist, dass weiter oben wichtige Treffen der Nazigrößen, die ja alle hie am Obersalzberg wohnten, ihre Häuser hatten, gegeben hat.

124 Meter fahren wir nun in die Höhe. 41 Sekunden braucht der Lift dazu. Wir stehen Körper an Körper. Dann öffnet sich die Tür. Wir sind im Kehlsteinhaus angekommen.nStatt uns drinnen umzusehen, strömen wir mit den anderen Fahrstuhlgästen  erstmal raus auf die Terrasse. Leider ist es hier genauso voll wie beim Andrang unten schon befürchtet. Man schiebt sich auf einen Rundgang ums Haus in 1800 Meter Höhe. Wer am Zaun gehen kann, hat herrliche Blicke aufs Berchtesgadener und Salzburger Land, auf schneebedeckte Berggipfel und den Königssee.

Die Aussicht ist fantastisch

Gelegentlich kann man stehen bleiben und schauen. Erst auf der Terrasse mit einem Kiosk hinter dem Kehlsteinhaus laufen die Touristenmassen auseinander. Einige ziehen weiter rund ums Haus, andere nutzen die Treppenstufen, die weiter den Berg hochführen. Hier ist es wegen des Schnees glatt, aber die Sicht aufs Kehlsteinhaus ist fantastisch.

Auf der Terrasse stehen Sonnenschirme, die Stühle und Tische vor der Sonne, die hier brennt, schützen. Wir trinken einen Kaffee. Ob Hitlers Gäste damals hier auch mit Kaffeetassen saßen, Richtung Königssee blickten und die Welt erobern wollten? Der Kellner spricht uns auf Englisch an. Ich glaube, fast alle, die hier an Tischen sitzen, sind Amerikaner. Sie trinken allerdings Bier.

Jetzt will ich rein in die fast heiligen Hallen der Geschichte. Eine Tür führt zur Sonnenterrasse. Ein schmaler langer Gang. Glasfenster in Bögen schützen vor Wind und geben gleichzeitig herrliche Ausblicke frei. Mehrere Tafeln erklären die Geschichte des Hauses. Wir haben keine Zeit zum Lesen. Unsere Rückfahrt beginnt in einer Stunde. Wir durchqueren ein Vorzimmer zur Terrasse, dessen Wände mit Zwirbelholz verkleidet sind. Was mag hier früher gewesen sein?

Mussolinis Kamin

Einige Treppenstufen führen hoch in den größten Raum. War das der Speisesaal oder der Tearoom? Eine Erläuterung finden wir nicht. Heute wird hier ein Restaurant betrieben. Tische, Bänke, Stühle lassen nichts mehr von einer alten Zeit erahnen. Der Kamin schon. Ein riesiger Marmorkamin steht an der Wand. Es soll ein Geschenk Mussolinis gewesen sein, heißt es.

Was mögen die US-Soldaten hier gemacht, was gedacht haben? Ich habe von den Nazigrößen hier oben kein Atömchen mehr finden können, von der Aura, die diesen Berg umgab nichts gefühlt. Leider auch nicht von der US-Zeit. Nichts erinnert hier an diese und die andere Geschichte. Das Kehlsteinhaus ist ein Touristenhotspot. Hier wird Geld verdient. Mit einer Geschichte, einem Image und einem Mythos, den es nicht mehr gibt.

Die Zeit drängt. Gleich fahren wir mit dem Lift abwärts, durchqueren wieder den Tunnel, besteigen den Bus und dann geht es hinab zum Parkplatz neben dem Dokumentationszentrum. Im Bus ist es jetzt leiser. Die Aufregung hat sich wohl gelegt. Wir wollen etwas essen. Ach ja, am Parkplatz steht ja ein modernes Restaurant. Ein Neubau. Berggasthof heißt er, glaube ich.

anderswohin.de-Video über die Busfahrt hoch zum Kehlsteinhaus

 

Teilen

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may use these HTML tags and attributes:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>