Am Drehort Günderode-Haus in Oberwesel am Rhein. Hier steht bis heute das Filmhaus aus „Heimat III“ von Edgar Reitz. Vor uns liegen Weinberge mit Reben voller Trauben, rot-gelb gefärbte Bäume, der ruhig dahinziehende Rhein, das romantische Mittelrheintal mit seinen mittelalterlich anmutenden kleinen Winzerorten.
Und über allem auf einem Weinberg hoch über dem Strom steht ein altes Haus, hierher verpflanzt für einen Film, eingebettet in eine wunderschöne Geschichte: Für uns der Höhepunkt eines reizvollen Nachmittags am Rhein.
Von unserer Heimat werden wir alle beeinflusst. Geborgenheit, Sicherheit, Kindheitserinnerungen, Idyll – das ist Heimat. Schon am Geruch, an einem verschwommenen Bild, einem Geräusch kann man Heimat erkennen.
Eine weitere „Heimat“ ist Kult. Nämlich die Fernsehfilm-Trilogie, die Edgar Reitz in den 80er, 90er Jahren und in diesem Jahrtausend unter dem Titel „HEIMAT 1-3“ drehte. Wundervolle Filme, die sich um das Thema Heimat im weiteren Sinn drehen und die Familie Simon aus dem Hunsrück durch das letzte Jahrhundert begleiten, von 1918 bis 2000 deutsche Geschichte schildern.
In „Heimat 3“ (der Sechsteiler spielt zwischen 1989 und 2000) lässt Regisseur Edgar Reitz den Komponisten Hermann Simon, in seinem (fiktiven) Heimatort Schabbach „Hermännchen“ genannt, mit seiner Frau, der Sängerin Clarissa, am Rhein bei Oberwesel ein altes Haus renovieren und dort leben.
Dichterin Karoline von Günderode
Henry Arnold spielt in Heimat den Hermann und Clarissa Lichtblau, das ist Salome Kammer. In Heimat 3 haben sich die beiden siebzehn Jahre lang nicht gesehen, begegnen sich am 9. November 1989 zufällig wieder und knüpfen an ihre alte Liebe an.
Sie erwerben am Rheinufer gegenüber der Loreley ein verfallenes Fachwerkhaus, in dem angeblich im 19. Jahrhundert die Dichterin Karoline von Günderode gelebt hat: das Günderode-Haus. Mit den beiden jungen Bauhandwerker Udo und Gunnar sowie dem Elektriker Tillmann und dem Kirchenrestaurateur Tobi restaurieren sie das Haus.
Knapp eine halbe Stunde dauert der Aufstieg auf den Weinberg von Oberwesel aus. In wenigen Minuten ist man mit dem Pkw über schmale asphaltierte Straßen oben. Ein Parkplatz, ein kurzer Fußweg – das ockerfarbene „Günderode-Haus“ ist schon aus dem Tal zu sehen – und man steht an der Mauern des Filmhauses.
„Siebenjungfrauenblick“ heißt der Ort
Jeder, der hier ankommt, bleibt fasziniert zunächst auf der Terrasse neben dem Haus samt seinem Ziegenstall stehen. Zu eindrucksvoll ist der Ausblick auf das Rheintal von hier oben. „Siebenjungfrauenblick“ heißt der Ort. Unten der Rhein, der Ort Oberwesel mit seiner Stadtmauer, Kirchen und der Burg, dazu die Weinberge.
Im Film schauen die Schauspieler von hier auf die Lorelei – das allerdings ist Film. Den legendären Felsen sieht man von hieraus nicht.
Regisseur Edgar Reitz hat das „Günderode-Haus“ für den Film nach hier verpflanzt. Über 200 Jahre alt ist das Gebäude. Eigentlich stand es bis 1988 im Hunsrückort Seibersbach. Der Restaurator Uwe Rumeney ließ es dort abgetragen und für die Verfilmung zunächst als baufällige Fachwerkruine aufbauen. Im Rahmen der Filmhandlung wird es dann restauriert.
Trutzig sieht das Haus mit seinen blass-gelben Putzfeldern zwischen grauen Fachwerkbalken und seinem hohen Giebel aus. Durch die Haustür geht es vorbei an der Küche, durch den Gastraum – im Film war hier Hermanns Wohnzimmer – hinaus auf die Terrasse mit Blick ins Rheintal.
Szenen des Films ziehen vorbei
Alles dreht sich im Haus um Heimat. Mit dem Blick aufs Detail besticht die Einrichtung des Hauses, das inzwischen Café und Restaurant ist. Szenen des Films ziehen vorbei. In den oberen Räumen, dort wo im Film die Schlafzimmer waren, sind heute ebenfalls Gasträume. Wer ein Heimat-Menü bucht, isst hier oben und schaut dabei Ausschnitte aus „Heimat“ auf DVD. Ein netter Einfall.
Ursprünglich sollte das Günderode-Haus nach den Dreharbeiten wieder abgetragen werden. Doch eine Bürgerinitiative kämpfte um seinen Erhalt. Nach dem vergeblichen Versuch zweier Unternehmer hier ein Restaurant aufzubauen, übernahm 2007 eine neue Pächterin das Haus. Elke Bolland – frühere Chefin des Bad Sobernheimer Hotels „BollAnt’s im Park“ – begrüßt inzwischen hier Wanderer, Filmfans und Ausflügler. Es gibt Menüs, kleine Gerichte, Kaffee und Kuchen. Und gelegentlich kulturelle Höhepunkte – so wie vor wenigen Tagen ein Konzert mit Justus Franz.
Aber vor allem kommt der Heimat-Liebhaber auf seine Kosten. Er lässt sich auf der Terrasse vor dem Haus nieder, sitzt im Schatten eines Baumes, genießt einen Kaffee und dann sieht er sie: Hermann und Clarissa wandelnd im Weinberg, die Bauarbeiter bei der Vesper und er erinnert sich an die große Silvesterfeier zum Jahr 2000. Genau hier, auf dieser Terrasse fand sie statt.
Das Günderode-Haus – ein Ort, der für den Fan der Trilogie Heimat zur Heimat wird.
ANMERKUNG
Dieser Beitrag entstand nach meinem ersten Besuch am Günderode Haus. Einen weiteren Beitrag verfasste ich 2017 bei einem anderen Besuch. Diesen Beitrag lesen Sie hier: Drehorte HEIMAT: Im Günderodehaus von Hermann und Clarissa | Hunsrück
Anonym says:
Sehr schöner Beitrag. Die Folgen von Heimat habe ich alle gesehen. Bitte mehr davon!