Der Geschlechterfriedhof in Lunden im Dithmarschen: Der Weg hoch auf den kleinen Hügel, auf dem oben eine Kirche steht, wirkt unwirklich. Statt Holzkreuzen und Grabsteinen stehen auf diesem Friedhof Grabstelen und liegen Grabplatten, unter denen Treppen in Grüfte führen.
Beerdigt wird hier auf dem Lundener Geschlechterfriedhof schon lange niemand mehr. Aber dennoch. Wir gehen hier über einen Friedhof mit den Gräbern der bedeutendsten Familien der Dithmarschen Bauernrepublik.
In der Stadt Lunden stoßen wir auf dieses Überbleibsel der Dithmarschen Bauernrepublik: einen Friedhof, der sich Lundener Geschlechterfriedhof nennt, und als ein einzigartiges Zeugnis der Landesgeschichte in Schleswig-Holstein gilt.
Die „Dithmarscher Bauernrepublik“ existierte im 15. und 16. Jahrhundert. Einige Bauernfamilien, sogenannte Geschlechter, hatten in dieser Zeit große politische und wirtschaftliche Bedeutung. Sie hatten Ansehen und Reichtum. Diese Geschlechter hatten vor allem auch Positionen im Rat der 48 Regenten inne.
Der Sühnestein des Peter Swyn
Im Grab Nummer stoßen wir auf die Grabstele von Peter Swyn. Die Stele ist ein Sühnestein. Er zeigt, neben religiösen Motiven, auch ein Bild seiner Ermordung: Ein Mann mit einem Messer stürzt sich auf sein Opfer. Peter Swyn wollte damals die Rechtsordnung der Dithmarscher Bauernrepublik reformieren. Seine Idee war die Abschaffung der Blutrache. Seinen Einsatz bezahlte er mit dem Attentat auf ihn, bei dem er von einem Gegner erstochen wurde.
Peter Swyns Grabplatte liegt neben der Stele. „Pater Patriae“, Vater des Vaterlandes, steht hier. ANNO CHRISTI MDXXXVII AM DAGE MARIE HELVART DEN XV. AVGVSTI IS HIR PETER SVIIN BEGRAVEN WORDEN.
Bedeutende Familien
Auch nach dem Tod wollten die Familien als Geschlechter, in die oft auch andere Familien aufgenommen wurden, auch auf Friedhof ihre herausragende Position deutlich machen. So kam es zum Geschlechterfriedhof in Lunden, auf dem die Geschlechter ihre Grabstellen hatten.
Heute erinnern auf dem Hügel um die Kirche noch 66 Grabsteine und Stelen an die damaligen Dithmarscher Regenten. Hier zeigte man in den Grabanlagen und Familiengrüften den Stolz und Wohlstand des eigenen Bauerngeschlechts.
Unter Linden und Kastanien sowie einem unregelmäßigen Wegnetz, an dem die historischen Grabstätten liegen, gehen wir den Hügel Richtung Kirche hoch.
Die kulturhistorische Bedeutung des Lundener Geschlechterfriedhofs liegt in der großen Anzahl der erhalten gebliebenen Grabplatten, Stelen und gemauerter Grabkeller, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen.
Die Grabkeller des Friedhofs
Eine Besonderheit des Geschlechterfriedhofs sind die Grabkeller. Die ältesten stammen aus dem 15., die meisten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der größte Grabkeller des Geschlechterfriedhofs ist der Nannenkeller. Er ist über fünf Meter lang und drei Meter breit. Der Sulemannenkeller ist geöffnet. Unter steht in einer Nische eine Nachbildung eines Sarges.
Man betritt die Grabkeller über eine steinerne Treppe, die mit einer Steinplatte abgedeckt war. Manchmal sind Eisenringe an den Steinplatten, die bei Beerdigungen ihren Transport möglich machten. In den Grabkellern standen Sockel aus Stein oder eiserne Stellagen in Nischen. Dort wurden die Särge aufgestellt. Die Grabkeller verfügten übrigens über Belüftungslöcher.
1880 wurde die Begräbnisstätte geschlossen. Nur in einer der Grüfte dürften noch Bestattungen stattfinden. Die letzte fand 1945 statt.
Wolken verdunkeln den Nachmittagshimmel. Wir verlassen den Lundener Geschlechterfriedhof durch das Tor zur Straße und blicken zurück zur Kirche. Der Grabhügel wirkt auch von der Straße aus beeindruckend und auch ein wenig unheimlich.