In Lübeck und in Wismar wurde einer der ersten Horrorfilme der Filmgeschichte gedreht. Der erste „Dracula-Film“ überhaupt. Sein Titel: „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“. Das war 1921. Der Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau beeinflusste mit diesem inzwischen als Filmklassiker geltenden Stummfilm das Horrorkino bis zum heutigen Tag.
Wismar und Lübeck sind Städte des Horrors. Des Gruselns. Aber nur in cineastischer Hinsicht. Der Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ mit der dämonischen Hauptfigur Nosferatu und einer filmischen Inszenierung, die traumartig wirkt und die gequälten Seelenzustände ihrer Darsteller eindrucksvoll wiedergibt, gilt als eines der wichtigsten Werke des Kinos der Weimarer Republik.
In Wismar ist man stolz auf diese Kinovergangenheit. Immerhin mehrere Tafeln auf Plätzen und Gehwegen zeigen an, dass an diesen Stellen 1921 Szenen für „Nosferatu“ – der Film kam 1922 in die Kinos – gedreht wurden.
Die Story von „Nosferatu“ ist eine Adaption des bekannten Dracula-Romans von Bram Stoker, weswegen es um Urheberrechtsverletzungen auch später Prozesse gab. Den Prozess gegen Bram Stokers Witwe Florence Balcombe, sie war verwaltete Stokers literarisches Erbe, hat Friedrich Wilhelm Murnau übrigens verloren. Die Filmkopien hätten laut Richter 1925 vernichtet werden müssen. Der Film überlebte aber. Unter anderem wegen der vielen bereits existierenden Kopien, die nicht alle vernichtet werden konnten.
Die Väter von „Nosferatu“
Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Filmregisseure der Stummfilmzeit. Vom Expressionismus beeinflusst, schaffte es, durch seine psychologische Bildführung und Montagearbeit, den Stummfilm auf ein damals neues Niveau zu heben. Heute gilt Murnau als einer der bedeutendsten deutschen Filmregisseure der Stummfilmära. Murnau ging später nach Hollywood und gewann 1929 drei Oscars. 1931 starb er in den USA bei einem Autounfall.
Albin Grau, der Produzent. Er war Werbegrafiker, Filmarchitekt und Filmautor aus Berlin. Und: Er war Okkultist. Das heißt, er beschäftigte sich mit Esoterik, dem Paranormalen und Mystik. Grau stand in Verbindung mit dem englischen Okkultisten Aleister Crowley, einem sogenannten Hexenmeister. Über Crowley drehte Albin Grau 1925 einen Dokumentarfilm. Er selbst machte okkulte Studien.
Grau gründete 1921 die Filmfirma Prana. Die Prana sollte eine Filmreihe über das Okkulte drehen. Für „Nosferatu“ übernahm Albin Grau die künstlerische Leitung und entwarf Dekorationen, Kostüme und Werbegrafiken.
Das Drehbuch schrieb Henrik Galeen. Er hatte zuvor beim Film „Der Student von Prag“ mitgewirkt und das Drehbuch des erste deutschen Horrorfilms „Der Golem, wie er in die Welt kam“ geschrieben. Auch Galeen wird die Nähe zu Okkultisten nachgesagt.
Kameramann war Fritz Arno Wagner. Er war einer der damals bekanntesten deutschen Kameramänner der Stummfilmzeit. Später drehte er bekannte deutsche Kinofilme wie „Ferien auf Immenhof“ und „Hochzeit auf Immenhof“. Er starb 1958 in Göttingen, als er bei Dreharbeiten an einem Film von Eric Ode von einem Kamerawagen stürzte.
Der Hauptdarsteller: Max Schreck. Kann der Hauptdarsteller eines Horrorfilms einen passenderen Namen haben? Schreck. Max Schreck spielte später in über 40 Filmen mit. Meist Stummfilme.
Das anderswohin-Video zu den NOSFERATU-Drehorten
Unter Verwendung vom Bram Stokers „Dracula“ wurden im Film Dracula zu Graf Orlok, aus Jonathan Harker wurde Thomas Hutter (gespielt von Gustav von Wangenheim), aus Mina wurde Ellen (Greta Schröder), aus Renfield wurde der Makler Knock (Alexander Granach) und aus Van Helsing wurde nun Professor Bulwer (John Gottowt, Hernrik Galeens Schwager).
Produzent Albin Grau hatte als Filmvorlage das Buch DRACULA von Bram Soker im Auge, als er Galleen mit dem Drehbuch beauftragte. Und der kupferte kräftig bei Bram Stoker ab.
Zwar schrieb man im Vorspann des Films dann „Nach Motiven von Bram Stokers Roman Dracula“, doch das nutzte nichts. Als der Film 1922 in die Kinos kam, erhielt die Prana Film eine Urheberrechtsklage von Florence Balcombe, der Witwe Stokers. Die Prana Film verlor den Prozess und die Richter wollten, dass alle Negative und Kopien von Nosferatu vernichtet werden sollten. Das aber klappte nicht. Zu viele Kopien existierten bereits. Sie überlebten in zerstückelten Fassungen. Somit gibt es heute etliche Nosferatu-Fassungen.
Interessant ist, dass der Film das Werk von mehreren Okkultisten ist. Auch Dracula-Autor Bram Stoker war Okkultist. Er gehörte zum „Hermetic Order of the Golden Dawn“. Ebenso wie der selbsternannte Hexenmeister und Sexualmagier Aleister Crowley. Zu den Anhängern Crowleys gehörten auch Galeen und vor allem Produzent Albin Grau. Die Nosferatu-Väter Grau und Galeen glaubten an die Macht des Verborgenen, des Okkulten. Und vielleicht ist es genau das, was „Nosferatu“, neben den unglaublichen Bildern des Kameramanns, ausmacht, was die Atmosphäre, die Beklemmung, ja Angst, schafft, wenn man den Film sieht.
Murnaus Nosferatu-Story
Ein Chronist berichtet, wie im Jahr 1838 die Pest in die Hafenstadt Wisborg kam. Der Makler Knock bekommt von einem Grafen Orlok (gespielt von Max Schreck) aus den Karpaten den schriftlichen Auftrag, für ihn ein Haus in Wisborg zu suchen.
Der Maklergehilfe Thomas Hutter reist in Knocks Auftrag zu Orlok in die Karpaten, um ihm ein halbverfallenes Haus gegenüber Hutters Wohnung anzubieten. Graf Orlok, ein Vampir, sieht bei Hutters Besuch ein Foto von dessen Frau Ellen – und unterschreibt den Kaufvertrag für das Haus.
Nachts erkennt Hutter, dass es sich bei Orlok um einen Vampir handelt. Er flieht aus dessen Schloss und macht sich auf den Heimweg nach Wisborg. Dort ist Orlok inzwischen schon mit einem Schiff voller Ratten angekommen. Während Orlok sein Haus bezieht, bringen die Ratten die Pest nach Wismar.
Hutters Frau Ellen findet in einem Vampirbuch mit dem Titel Nosferatu den Hinweis, dass nur ihr freiwilliges Opfer die Stadt retten und den Vampir vernichten kann. Sie muss ihn dazu von ihrem Blut trinken lassen, sodass er die Morgensonne vergisst. Ellen schickt Hutter weg, zeigt sich dem Vampir am Fenster ihrer Wohnung und lockt so den Vampir zu ihr. Der Vampir trinkt von Ellens Blut und bemerkt tatsächlich die aufgehende Sonne nicht. Er zerfällt beim ersten Sonnenstrahl zu Staub, während Ellen tot ist.
Ein Filminhalt, der 1922 überaus gruselig war und durch die filmische Umsetzung im Stil des Expressionismus für viel Aufmerksamkeit sorgt.
Hauptsächlich wurde NOSFERATU in zwei Städten gedreht: LÜBECK und WISMAR. Es wurde auch kurze Szenen im Wald bei Berlin, auf Sylt und in der Tschechoslowakei gedreht. Die Burg des Vampirs liegt in der westlichen Tatra.
DREHORTE IN WISMAR
Murnaus Filmstadt „Wisborg“ ist in Wirklichkeit die Stadt Wismar, einer der Drehorte des Films.
Wismar Marktplatz
In der Eröffnungsszene von NOSFERATU zeigt Murnau den Ort der Handlung. Die Stadt WISBORG. Der Stadtname ist eine Erfindung. In Wirklichkeit ist in der ersten Szene der Marktplatz der Stadt WISMAR zu sehen. Wismar wurde somit zu Wisborg. Man erkennt den Marktplatz an der Wasserkunst. Das ist ein Wasserverteilsystem aus dem Mittelalter.
Murnaus Kameramann Fritz Arno Wagner drehte die Szene vom Turm der Marienkirche aus. In der Szene sieht man einen kleineren Kirchturm im Vordergrund. Den gibt es heute nicht mehr. Denn das Schiff der Marienkirche wurde 1960 vom DDR-Regime gesprengt. Nur der große Turm blieb stehen, weil ihn Schiffe zur Navigation brauchten.
Der Turm steht bis heute, die Grundmauern des Kirchenschiffs wurden knapp einen Meter hoch wieder hochgezogen, um die damaligen Ausmaße der Marienkirche zu zeigen.
Der Marktplatz mit der „Wasserkunst“ und den Häusern sieht auch heute noch aus wie im Jahr der Filmproduktion 1921.
St. Georgen-Kirche und Heilig-Geist-Kirche
Auch am Schiff der Georgen-Kirche, vor dem Westportal, drehte Murnau eine Szene von „Nosferatu“. Murnau zeigt den Vorplatz zur Kirche. Über den Platz geht der Vampir, der seinen Sarg vom Schiff zu seinem erworbenen Haus trägt.
Ein weiterer Drehort von „Nosferatu“ war im Hof der Heilig-Geist-Kirche in Wismar. Der Hof liegt hinter einem Eingangstor zu mehreren Kirchengebäuden. Hier steht zum Beispiel ein ehemaliges Spital, ein Wohnhaus und davor ein Brunnen. Den Hof nutzte Murnau für zwei Filmszenen.
Zu Beginn des Films zeigt Murnau den Hof, wenn Hutter in Richtung Karpaten aufbricht. Er steigt hier auf sein Pferd und reitet los. Im Hintergrund sieht man das Wohnhaus und den Brunnen.
Die 2. Szene zeigt den Hof bei der Ankunft des Vampirs. Während er mit seinem Sarg vom Schiff zu seinem Wohnhaus geht, durchquert er auch den Hof der Heilig-Geist-Kirche. Auch in dieser Szene sieht man Haus und Brunnen.
Der Hof der Heilig-Geist-Kirche dient übrigens auch heute noch als regelmäßiger Drehort. Hier dreht das ZDF die Serie SOKO Wismar. Das Tor zum Hof ist hier (von der Straße aus gefilmt) der Zugang zum Polizeirevier.
Wismar Hafen und Wassertor
Auf der Ostsee vor Wismar drehte Murnaus Filmteam ebenfalls. In „Nosferatu“ kommt das Segelschiff „Empusa“ im Hafen an. An Bord sind Graf Orlok und die pestbringenden Ratten. Die Schiffsmannschaft ist während der Überfahrt nach Wisborg gestorben.
Im August 1921 ließ Murnau den Schoner „Jürgen“ aus Wismar bis hinter die Insel Poel (also in die Hafenzufahrt) schleppen. Dort filmte er die Anfahrt der Empusa auf Wisborg. Im Film zu sehen ist die Szene, als die Empusa Wisborg ansteuert. Bei der Einfahrt in den Hafen ist deutlich das Stadtpanorama mit der Georgskirche zu sehen.
Eine weitere Szene wurde in Wismar gedreht. Es ist die vielleicht eindrucksvollste Wismarer Szene. Aufgenommen wurde die am Stadttor am Hafen, dem Wassertor. Im Film „Nosferatu“ beginnt hier Orlok, seinen Sarg tragend, den Weg vom Schiff Empusa zu seinem neuen Wohnhaus. In den Filmaufnahmen sieht man deutlich, dass die Empusa auf der anderen Seite des Stadttors im Hafen von Wismar ankert. Kein Wunder. Denn 1921 reichte das Hafenbecken tatsächlich bis an das Stadttor. Heute sieht der Hafen an dieser Stelle anders aus.
In der Filmszene geht Orlok durch das Stadttor in die Stadt. Die Kamera stand in einer Gasse der Innenstadt.
DREHORTE IN LÜBECK
Im Film bekommt der Maklergehilfe Thomas Hutter den Auftrag, einem Grafen Orlok aus den Karpaten ein halbverfallenes Haus in Wisborg zu verkaufen.
Das halbverfalllene Haus, das Murnau im Film zeigt, steht in in Wirklichkeit in Lübeck. Und es steht heute noch da. Und es sieht noch aus wie vor hundert Jahren, als es der Drehort war. Es ist der Salzspeicher in Lübeck, der gleich neben dem Holstentor an der Obertrave steht.
Der Salzspeicher, das sind ehemalige Lagerhäuser, die im 16. und im 18 Jahrhundert gebaut wurden. Früher wurde darin Salz für den Handel, aber auch Tuch, Korn oder Holz gelagert. Heute ist dort ein Textilunternehmen drin.
Hutter selbst wohnt in Wisborg. Der Drehort ist ebenfalls in Lübeck. Und zwar am Aegidienhof. Der liegt neben der Aegididenkirche. Die Häuser am Aegidienhof, der Drehort, sehen heute noch fast so aus, wie vor hundert Jahren.
Als Hutter in einer Szene einen Mann in Wisborg trifft, dem er von seiner Reise erzählt, drehte Murnau diese Szene im sogenannten Füchtingshof. Und der liegt in Lübeck.
Der Füchtingshof ist ein mit kleiner Häusern bebauter Innenhof. Von solch hübschen bebauten Innenhöfen gibt es heute noch 90 in Lübeck. Der Füchtingshof liegt übrigens neben dem heutigen Günter Grass Haus. Für mich ist das einer der schönsten Höfe in Lübeck.
Orloks ratten bringen die Pest nach Wisborg. Jede Menge Menschen sterben. Eindrucks voll der Zug der Sargträger in einer Straße von Wisborg. Drehort dieser Szene war wiederum Lübeck. Drehort war die Straße Depenau.
Viele der Drehorte des Filmklassikers Nosferatu wirken bis heute unverändert. Murnau, Albin Grau und Max Scheck haben sie auch so gesehen. Der Besuch dieser Drehorte ist für Cineasten ein wirkliches Erlebnis. Mir jedenfalls ging es so.