Im Sankt Pauli-Museum Hamburg

Ein historisches und erotisches Museum, gelegen auf Sankt Pauli

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Woran denkt man, wenn man den Namen Sankt Pauli hört? An Hamburg, Hafen, Reeperbahn, an Fußball und an Sex. St. Pauli gleich Reeperbahn und die Amüsiermeile bedeutet käuflicher Liebe – das sitzt fest im Kopf. Dem ist aber nicht so. St Pauli ist mehr.

27 000 Einwohner hat der Stadtteil. Und der bietet Geschichte und Geschichten (von denen einige natürlich auch mit Sex zu tun haben). Ein Ort, an dem man mehr über Sankt Pauli erfährt, ist das St. Pauli-Museum.

Heute von einem gemeinnützigen Verein betrieben, ist sein Initiator der Fotograf Günter Zint. In der links-alternativen Szene ist Zint kein Unbekannter. Früher arbeitete er für Stern, Spiegel und Konkret, gründete die St-Pauli-Nachrichten, war in der Anti-Atomkraftbewegung aktiv und arbeitete mit Enthüllungsjournalist Günther Wallraff, wenn der undercover unterwegs war. Zint war dabei, als die Beatles im Starclub spielten, war dabei beim Leben auf der Straße, in Hinterhöfen und bei den Shows auf St. Pauli. Sein Fotografenwerk (es sollen rund 1 Million Bilder und gesammelte Dokumente sein) bildet den Fundus des Museums.

Das St. Pauli-Museum fand nach vielen Irrwegen seit den 80er Jahren 2010 seine Heimat in einer ehemaligen Kneipe an der Davidstraße, fast gegenüber der bekannten Polizeistation Davidwache. Heute ist die Davidstraße neben dem Hans-Albert-Platz übrigens noch der einzige Bereich, an dem hier Straßenprostitution erlaubt ist. Allerdings nur zwischen 20 Uhr und 4 Uhr morgens.

Pesthof, Armenviertel, Reepschlägeransiedlung

Ein Film im Museum zeigt die Geschichte des Stadtteils, der früher Hamburger Berg hieß. Entstanden im 13. Jahrhundert rund um ein Kloster war der Ort nie der Hamburger liebstes Kind. Pesthof, Armenviertel, Reepschlägeransiedlung – erst 1894 wurde der Ort als St. Pauli zum Hamburger Stadtteil. Da gab es dort, dank des nahen Hafens, schon seit Jahrhunderten Amüsierbetriebe. Erst Buden, später Häuser beherbergten Theater, Zirkus, Trinkhallen – und Prostitution gab es natürlich auch.

Das Rotlichtviertel – das betrifft Reeperbahn, Spielbudenplatz und einige Seitenstraßen wie die Davidstraße, die Große Freiheit und die Herbertstraße – als Viertel ohne Sperrstunde erlebte seine Blütezeit. Erst in den 80er Jahren machten Bandenkämpfe (Albaner- und Russenclans), Nepp durch Gastronomen und AIDS dem bisherigen Leben auf dem Kiez ein Ende.

Heidi Kabel, Freddy Quinn und Hans Albers

Das St. Pauli-Museum zeigt, dass Amüsierbetrieb nicht nur billige Unterhaltung bedeutet hat. Varietétheater standen hier. Künstler wie Heidi Kabel, Freddy Quinn und Hans Albers traten dort auf, im Starclub waren die (oft später erst weltbekannt gewordenen) Popkünstler der 60er Jahre – wie die Beatles – zu Gast, Maler lebten hier, zeigten ihre Werke… Im Museum begegnen sie uns in Programmheften, Fotos, Kostümen, Tafeln mit Geschichten – die faszinierende Welt der Künstler- und Showbranche.

Natürlich geht es im St. Pauli-Museum auch um Sex und um Prostitution. Wussten Sie, dass der Bretterzaun, der die Sicht in die Herbertstraße verhindert, dort wo die Prostituierten hinter Schaufensterscheiben auf Freier warten, von den Nazis 1933 errichtet wurde? Sie wollten das „Unmoralische“ nicht öffentlich zeigen, aber verbieten wollten sie die Prostitution dort auch nicht.

Missionar 50 Euro, Reiter 70.- und Hand 30.-

Wussten Sie, wie derzeit die Preise auf dem Kiez sind? Missionar 50 Euro, Reiter 70 und per Hand 30.-… Eine längere ausführliche Preistafel holt uns ins Jahr 2012 zurück. Ebenso der Sado-Maso-Raum mit einer Ausstellung diverser Gebrauchsgegenstände aus der SM-Szene. Daneben dann das anrührende Tagebuch einer jungen Prostituierten, die in Jungmädchenschrift schildert, wie sehr sie ihren Zuhälter liebt und alles für „ihn“ tut. Bilder erklären die Jobs auf dem Kiez. Dort gibt es mehr als Prostituierte und Zuhälter…. Einen Koberer zum Beispiel hat jeder Reeperbahnbesucher schon mal bei der Arbeit gesehen. Dass nämlich sind die Herren, die vor Lokalen die Vorbeikommenden überzeugen wollen, doch mal in den Laden hereinzuschauen…

St. Pauli-Theater und Schmidt Theater

Das Rotlichtviertel ist heute längst auch Kulturzentrum. St. Pauli-Theater, Schmidt Theater und Schmidts Tivoli, Operettenhaus und Musical, Imperial Theater, Pulverfass Cabaret und Quatsch Comedy Club, Plattenläden, Modeboutiquen, Lebensmittelgeschäfte, Restaurants – auf den Straßen sind nachts nicht mehr nur Betrunkene und Freier unterwegs. Ein Verdienst der engagierten Künstler um Corny Littmann, Chef des Schmidt-Theaters, der „Kultur“ hier neu ansiedelt.

Zu St. Pauli, aber auch zum Museum, gehört zum Beispiel Willi Bartels (der König von St. Pauli), Chef des ehemaligen Eroscenters, der Zints Museumsidee immer förderte. Fotos zeigen „seine Erfindung“, das Eroscenter mit Kontakthof. Aber auch dem Komponist Ernst Bader („Heimweh“ und „Der Junge von St. Pauli“), der ehemaligen Prostituierten und späteren Streetworkerin Domenica sowie Erwin Ross, dem „Rubens von der Reeperbahn“ (er malte die großflächigen Plakate für die Amüsierläden) sind kleine Ausstellungsbereiche gewidmet.

Sie alle zeigen: Sankt Pauli ist mehr als Sex. Kultur gibt es hier, Künstler, und Geschichten, die zu Geschichte werden. Das Museum kann immer nur einen kleinen Teil seines gewaltigen Fundus aus Gegenständen, Bildern, Zeitungsartikeln und mehr zeigen. So erwarten Besucher laufend neue Dinge, die man in der Ausstellung zeigt.

Ein Tipp noch: Besuchen Sie unbedingt die Toilette des Museums. Hier erwartet Sie eine verblüffende künstlerische Überraschung.

UPDATE 2020: Im April eröffnet das neue Sankt Pauli Museum am Nobistor 10, in der Nähe des Beatles-Platzes.

 

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