Wir sind im Das Anne-Frank-Haus in Amsterdam an der Prinsengracht. Es ist ruhig im Haus. Und das, obwohl von morgens bis abends ein endlos erscheinender Besucherstrom durch die Räume, über Treppen und durch Flure zieht.
Niemand spricht laut. Man flüstert. Niemand drängelt, alle gehen langsam. Bleiben stehen. Schauen, lesen, schweigen. Das Anne-Frank-Haus in Amsterdam an der Prinsengracht 263-267 ist eigentlich kein Museum. Auch keine Gedenkstätte. Dennoch ist es ein Ort des Erinnerns.
Jeder der inzwischen 1,2 Million Besucher (seit der Eröffnung 1960) des Hauses kennt die Geschichte des Mädchens, das hier zwei Jahre lebte. Besser: sich verstecken musste. Ihr Name: Anne Frank. Ihr Tagebuch ist seit Jahrzehnten Pflichtlektüre an Schulen. In über 70 Sprachen wurde das Buch bereits übersetzt. „Das Tagebuch der Anne Frank“ – ein Dokument der Geschichte.
Ein Ort des Erinnerns
Das Anne Frank Haus besteht aus 2 Teilen
Das „Anne-Frank-Haus“ an der Prinsengracht besteht aus zwei Teilen. Einmal ein Neubau – in diesem Museumsteil sind Dokumente und Fotos zu sehen – dann das „Hinterhaus“. Es ist das Gebäude, in dem Anne Frank und weitere sich vor den Nazis versteckten. Verstecken mussten. Denn ihr „Verbrechen“ war „Jude zu sein.“
Otto Frank und Edith Holländer (sie heirateten in der Synagoge in Aachen) haben zwei Kinder. Margot (geboren 1926) und Anne (geboren 1929). Die Franks sind Deutsche jüdischen Glaubens. Otto Franks Familie lebt seit vielen Jahren in Frankfurt am Main, Ediths Familie kommt aus Aachen.
1933, die Nazis übernehmen in Deutschland die Macht, emigrieren die Franks nach Amsterdam. Sie hoffen, dass ihr Leben hier sicherer ist. Eine Täuschung für den Chef einer Firma. 1940 marschiert die Wehrmacht in die Niederlande ein. Die Familie Frank ist erneut in Gefahr. Als Margot 1942 einen Aufruf für ein Arbeitslager in Deutschland erhält, ziehen die Eltern mit den Töchtern in das Versteck, das sie seit Monaten vorbereitet haben: Das von außen nicht einsehbare Hinterhaus an der Prinsengracht, dort wo die Firma der Franks im Vorderhaus ist.
Weitere Juden, die Kontakt zu den Franks haben, ziehen ebenfalls in das Versteck ein: Hermann und Auguste van Pels und ihr Sohn Peter sowie Fritz Pfeffer. Vier Mitarbeiter aus Otto Franks Firma – alle anderen wissen nichts vom Versteck – helfen den Untergetauchten fortan.
Anne führt ein Tagebuch seit sie 13 ist. Das Buch führt sie im Versteck weiter. Sie denkt immer mehr über das Leben nach und schreibt in ihrem Tagebuch über ihre Ideen. Sie schreibt über das, was passiert im Versteck, ihre Gedanken, philosophiert, schreibt auch Kurzgeschichten. Sie plant, die Bücher zu veröffentlichen. Ihr Tagebuch begleitet sie beim Werden vom Mädchen zur Frau.
Sie ist 15, als das Versteck verraten wird. Zusammen mit den anderen Untergetauchten aus dem Haus wird sie verhaftet. Sie werden in Lager der Nazis gebracht. Anne stirbt im März 1945 in Bergen-Belsen.
Nur Otto Frank überlebt die Lager. Er kehrt nach Amsterdam zurück. Eine Mitarbeiterin aus seiner Firma hatte Annes Tagebücher in Sicherheit gebracht. Als Otto Frank sie erhält, beschließt er – Annes Wunsch gemäß – die Bücher zu veröffentlichen. Es ist das Vermächtnis seiner Tochter.
Das fröhliche Mädchenlachen
Schweigend gehen wir durch enge Räume und klettern über schmale Treppen. Die Fotos mit dem fröhlichen Mädchenlachen der Anne Frank aus im ersten Raum des Museums sind noch in den Köpfen, als wir die ersten Zimmer betreten. Räume in denen die Mitarbeiter der Firma arbeiteten. Mit Hilfe der Fotos, Biografien und Zitate werden sie in unseren Köpfen lebendig.
Die Beschreibungen im Haus sind auf niederländisch und in englisch. Ich empfinde es in diesem Augenblick als Wohltat, sie nicht auf deutsch zu lesen. Die Sprache, in der Deutsche die Befehle zum Abtransport der Menschen hier in die Konzentrationslager gaben, will ich in diesem Augenblick nicht lesen und hören.
Die Geheimtür hinter dem Aktenregal
Durch eine Geheimtür (die Tür zum Versteck wurde durch einen beweglichen Aktenschrank getarnt) führt der Weg über eine steile Treppe ins Hinterhaus. Die Räume hier sind heute fast leer. Fotos zeigen, wie sie einmal ausgesehen haben müssen. Weniges, was von der Familie übrig blieb, ist erhalten. Anne Frank sammelte Fotos berühmter Schauspieler. Ein Foto von Heinz Rühmann ist an die Wand geklebt. Hollywoodstars sind auch darunter. Das Zimmer eines Mädchens, dass es übrigens mit einem 16-Jährigen Jungen teilen musste.
Enge Zimmer, spartanische Einrichtung. Selbstgemalte Bilder an der Wand, Fotos, eine kleine Landkarte, die Striche mit denen die Franks an der Wand notierten, wie ihre Töchtern wuchsen. Die Untergetauchten durften die zwei Jahre über das Haus nicht verlassen. Sonnenlicht gab es kaum. Ruhig mussten sie sein. Nicht laut reden, am Tag kein Wasser laufen lassen. All das hat Anne Frank in ihrem Buch notiert. Welche Spannungen müssen hier in der Luft gelegen haben? Spannungen, entstanden aus der Ungewissheit. Gibt es eine Zukunft?
Nicht tröstend. Oft wütend machend
Zitate aus Anne Franks Tagebüchern lassen ihre Worte zur Realität in unseren Köpfen werden. Ja, wir sehen das Leben der Franks hier vor uns. Eindringlich. Nicht tröstend. Oft wütend machend. Dort das schmale Bett auf dem Anne träumend und schreibend lag. Dort der winzige Raum, in dem sich einer der Untergetauchten am Tage einschloss. Hilflosigkeit. Da das Zimmer der Eltern. Und überall die Fenster ohne Blick nach draußen.
Wir erreichen den Boden. Dort ist die Treppe, über die Anne hochstieg, um morgens ein Stück blauen Himmel, einen Sonnenstrahl, zu sehen. Die Atmosphäre wirkt bedrückend.
Videos mit Interviews und Gesprächen
Videos und Filme zeigen das Leben der Juden unter den Nazis, zeigen Konzentrationslager. Otto Frank (er ist 1980 verstorben) erzählt im Video von seiner Tochter Anne, von der Idee und dem Kampf, das Haus zur Erinnerungsstätte zu machen, vom Verlegen des Tagebuches. Und die Bilder zeigen Gespäche mit denen, die halfen.
Wie wurden Lebensmittel für die Untergetauchten besorgt, wer wusste was? Was wurde aus den Helfern Miep Gies, Johannes Kleiman, Victor Kugler und Bep Voskuijl? In Videos erzählen sie ihre Geschichte.
An Ende gehen wir durch abgedunkelte Räume. Das Originaltagebuch liegt hier. Aufgeschlagen. „Dear Kitty ,…“ lese ich. Mit diesen Worten begannen Annes Einträge. Notizen an Kitty. Die Unbekannte. In Annes Welt aber da.
Aufmunterung bringen die weiteren Informationen. Denn hier verweist das Anne-Frank-Haus auf alle jene Aktivitäten, die durchgeführt werden. Es gibt Projekt an Schulen, Wanderausstellungen und weitere weltweite Projekte werden. Es gibt Projekt an Schulen, Wanderausstellungen und weitere weltweites. Ronald Leopold, Direktor des Anne Frank Hauses: „Das Anne Frank Haus ist der Ort, an dem Anne Franks Geschichte in authentischer und fundierter Weise präsentiert wird. Es ist beeindruckend, dass so viele Menschen von allen Kontinenten diesen Ort besuchen und diese Geschichte kennenlernen.“
„Auch auf andere Weise machen Millionen Menschen, größtenteils Jugendliche, durch unsere Aktivitäten Bekanntschaft mit Anne Franks Geschichte. Wir realisieren gut 300 Bildungsprojekte über Anne Frank in mehr als dreißig Ländern. Ungefähr 5000 Jugendliche auf der ganzen Welt engagieren sich in diesen Projekten als Anne-Frank-Botschafter.
Schweigend verlasse ich das Anne-Frank-Haus. Die Prinsengracht liegt im hellen Licht der Sonne. Ich blicke nach oben. Der Himmel ist blau über Amsterdam. So blau, wie ihn Anne Frank liebte.
INFOS
Webseite des Anne-Frank-Hauses
https://www.annefrank.org (auch in deutsch)
Anne Frank Haus
Prinsengracht 263-267
Das ist im Zentrum von Amsterdam. Die Straßenbahnen 13, 14 und 17 und die Busse 170, 172 und 174 halten in der Nähe an der Haltestelle „Westermarkt“. Vor dem Eingang ist stets eine lange Warteschlange. Besonders gefragt ist das Anne-Frank-Haus für Schulklassenbesuche. Um langes Warten zu vermeiden, empfehle ich den Online-Kartenkauf. Dann kommt man über den Gruppeneingang schneller rein.
Ich bedanke mich beim Anne-Frank-Haus für die Unterstützung bei meiner Arbeit.
Anonym says:
Beim Lesen hatte ich Tränen in den Augen. Sie schreiben sehr berührend und lebendig. Vielen Dank für den Artikel.
Anonym says:
Sehr schöner Text