Einen Tag lang schaute ich in Burger´s Zoo in Arnheim in den Niederlanden hinter die Kulissen, begleitete Tierpfleger bei der Arbeit und kam dabei den Tieren so nah, wie noch nie zuvor.
Ein aufregender Tag: Langsam schiebt sich der Koloss an mir vorbei. Sein Umfang ist im naturtrüben Wasser nur schwer auszumachen. 400 Kilo schwer und fast vier Meter lang ist er, die Schwanzflosse sieht riesig aus. Jetzt hat er gewendet und kommt langsam auf mich zu. Bis zum Bauch im Wasser stehend suche ich mit den Füßen auf dem felsigen Untergrund Halt. Dann bemerke ich zwei weitere dieser Riesen. Langsam schwimmen auch sie in meine Richtung.
Christiaan Luttenberg muss schmunzeln. „Keine Angst. Das sind ganz liebe Tiere. Die sind nur neugierig“, sagt er. Luttenberg kennt die Kolosse, die drei karibische Seekühe sind, sehr gut. Als Tierpfleger in Burgers Zoo ist er den täglichen Umgang mit den dreien im großen Becken der Regenwaldhalle gewohnt.
Ich bin in Burgers Zoo für ein „Eintages-Praktikum“, darf hinter die Kulissen des großen niederländischen Zoos bei Arnheim (Arnheim liegt gleich hinter der deutsch-niederländischen Grenze) schauen und viele der Tiere hier aus nächster Nähe kennenlernen.
Mit Seekühen im Wasser
Zum Start sind es die Seekühe, die der Halle „Busch“ untergebracht sind. Im „Busch“ macht der Besucher auf Wegen und Pfaden, über Brücken und durch Tunnel eine Reise durch den tropischen Regenwald. Feucht und warm ist es hier. Und voller Pflanzen, zwischen denen die Tiere sich auf dem Boden und in der Luft ohne Käfig bewegen. 20 bis 34 Grad warm ist die Luft, 24 Grad hat das Wasser.
Drei Seekühe bewegen sich gemütlich in dem Becken. Zusammen mit Christiaan Luttenberg darf ich sie füttern. „Das da ist unsere Dame. Sie ist 1989 geboren und ungefähr 400 Kilo schwer. Da hinter schwimmt der Mann. Er wurde 2004 geboren und wiegt auch 400 Kilo. Und dann kommt da unsere junge Dame, die erst seit kurzem in Burgers Zoo ist. Sie wurde 2013 geboren und wiegt 200 Kilo.“
Namen haben die Seekühe, wie übrigens alle Tiere in Burgers Zoo, nicht. Jedenfalls offiziell. Die Betreiber des Privatzoos wollen nämlich den sogenannten „Knut-Effekt“ vermeiden. Natürlich haben die Tierpfleger untereinander Bezeichnungen für ihre Schützlinge, doch die Namen verraten sie den Besuchern nicht.
Möhren langsam ins Maul schieben
Dass meine neuen Freunde im Wasserbecken absolut friedliche und liebe Tiere sind, merke ich schon bald. Fast zärtlich schubsen sie mich am Bein an. Ein Zeichen, dass sie Futter haben wollen. Das hält Christian Luttenberg in einer kleinen Kiste in der Hand. Gekochte Kartoffeln, Möhren und Rote Beete. „Langsam ins Wasser halten und dann ins Maul schieben“, weist er mich an. Die Seekuh nimmt das Futter mit den dicken Lippen. Im vorderen Maul haben sie keine Zähne. Sie zermahlen das Futter mit Platten, die im Maul gewachsen sind.
30 Kilo frisst jedes der Tiere täglich. In Burgers Zoo stehen Endivien, Chinakohl und anderes Gemüse auf dem Speiseplan. Warum jetzt die Fütterung per Hand? „Wir schauen beim Füttern in ihr Maul“, erklärt der Tierpfleger. Hier sieht er, ob es der Seekuh gut geht. „Die schlafen und fressen eigentlich nur“, sagt er über die nun auf mich gemütlich wirkenden Kolosse, die schlecht sehen, aber gut riechen und hören können.
„Sie haben auch Stimmen“, überrascht mich der Pfleger. Unter Wasser nämlich verständigen sie sich mit Geräuschen. Ich schiebe eine Kartoffel in ein Maul, das nun leicht aus dem Wasser schaut. Schwups ist die Kartoffel verschwunden. Die Seekuh, anscheinend war es der Mann, gleitet weiter.
Burgers Mangrove im Sommer
Die drei Seekühe (Burgers‘ Zoo ist übrigens der einzige Zoo in den Niederlanden, in dem Seekühe zu sehen sind) werden noch in diesem Sommer in das neue Ökodisplay „Burgers‘ Mangrove“ umziehen). Burgers Zoo hat seit den 80er Jahren bereits mehrere Hallen. Neben dem Busch sind dies die Wüstenhalle und der Ozean, ein Riesen-Aquarium. In der überdachten Mangrove mit 60 Meter Durchmesser wird es Strand, Mangrovenwald, Schlamm und Priele geben, dazu belizischer Wald (in Belize unterhält Burgers Zoo übrigens ein Naturschutzreservat).
Neben der Pflanzenwelt werden hier die Seekühe, Winkerkrabben, Krebse, Quallen, Schmetterlinge und so weiter zu finden sein. Die Fütterung geht nur langsam voran. Man muss Geduld haben. „Das kann schon zwischen zehn und 30 Minuten dauern“, sagt der Tierpfleger. „An Land können die Seekühe nicht“, erklärt Christian Luttenberg. „Sie sind zu schwer. Ihr Gewicht würde den Körper mit den Organen zusammendrücken.“
Das Wasser färbt sich leicht rot. Das kommt von der Rote Beete-Frucht, die ich nun der Dame gegeben habe. Christian Luttenberg zeigt auf einige große Fische, die ebenfalls im Wasser ihre Runden drehen. „Die gehören zur Familie der Piraña“, grinst der Tierpfleger als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sieht. „Die haben zwar auch spitze Zähne, aber das sind vegetarische Piraña“, gibt er mir Entwarnung.
Mit einem liebevollen Abschiedsblick auf die Dickhäuter verabschiede ich mich von den gemütlichen Riesen. Weiter geht unsere Reise durch den Regenwald. „Ich habe jeden Tag schönes Wetter bei der Arbeit“, sagt Christiaan Luttenberg und zeigt auf das Dach der Halle, durch das jetzt Sonnenstrahlen auf die grüne Pflanzenlandschaft fallen.
Bei Mutter und Sohn Erdferkel
Etwas seltsam wirken die Bewohner unserer nächsten Station: die Erdferkel. In einer Höhle schlafen Mutter und Sohn. Sie liegt auf dem Rücken, der Kleine hat sich an sie gekuschelt. Das Jungtier wurde im Februar geboren, ist also noch keine 50 Tage alt. „Erdferkel sind nachtaktiv. Am Tag schlafen sie fast immer“, erklärt der Tierpfleger. Doch der Kleine ist wach, krabbelt aus dem Höhleneingang.
Er muss gewogen werden. 7 Kilo ist er schwer. Die Mutter wiegt dagegen gute 50 Kilo. Seltsam sehen die Erdferkel schon aus. Fast nackt mit einem langen Schwanz, riesigen Pfoten und langen Krallen, lange, spitzen Ohren – aber süß sind sie schon, denke ich mir. Der Kleine hat nun nach dem Wiegen meine Schuhe und die Hose entdeckt. „Erdferkel lieben Gerüche. Er muss jetzt erstmal schnuppern“, sagt der Tierpfleger während sich der Kleine an mein Bein kuschelt und meine Schuhe beschnuppert.
In Burgers Zoo führt man das Erdferkel-Zuchtbuch der europäischen Zoos. Erdferkel sind selten. „Wir haben fast jedes Jahr ein oder zwei Jungtiere“, sagt Christiaan Luttenberg stolz.
Backstage in Burger´s Zoo Ozean
Meine nächste Station heißt Ocean. Ein riesiges Aquarium. Backstage sieht es hier aus wie in einer großen Fabrik. Die Filteranlagen für das Wasser arbeiten rund um die Uhr. Hier begleite ich Bas Arendts, zuständig zum Beispiel für die Korallen und die Rochen.
„Heute gibt es Scampi“, begrüßt er mich und zeigt mir einen Becher voll mit dieser Köstlichkeit. Die sind für drei Rochen gedacht, die in einem Becken kreisen. „Die drei kommen aus einem Aquarium in Belgien. Da sie gerade erst hier angekommen sind, kommen sie erstmal in Quarantäne, bevor sie ins Aquarium dürfen“, erklärt er. Er füttert jetzt die Rochen (ein Männchen, ein Weibchen und ein Jungtier), die vor Freude das Wasser spritzen lassen, so schlagen sie mit ihren Brustflossen.
„Sie haben gelernt, dass das Futter von oben kommt“, erklärt der Tierpfleger, während die Rochen wild um die Scampi kreisen, die ihren Arends mit einer langen Pinzette gibt. Um 9 und 16 Uhr wird gefüttert. Ich füttere hier lieber nicht. Denn die Rochen haben einen langen Stachel. „Giftige Fische“ steht auf einem Schild am Becken.
Eine Tür führt in einen großen Raum, wo wir von oben hinunter auf ein Wasserbecken voller Korallen blicken. „Korallen sind auch Tiere. Viele denken, das sind Pflanzen. 10 000 kleine Tiere bilden eine Kolonie. Sie sind sehr empfindlich. Die Wasserqualität und Fütterung müssen perfekt sein“, erklärt Bas Arendts. Korallen wachsen nur langsam. Einige wenige Millimeter im Monat, andere Zentimeter. Die Korallen unter uns wachsen hier seit 15 Jahren.
Eines der weltweit größten Korallenbecken
Von der Decke sorgen viele Lichtstrahler für das optimale Licht, dass die Korallen zum Leben brauchen, gleichzeitig wird das durch die Strahler aufgewärmte Wasser gekühlt. Technische Ausstattungen, von denen der Besucher unten in der Halle vor den dicken Glasscheiben nichts ahnt. „Es gibt viele Haibecken in Europa, aber große gute Korallenbecken sind da nicht viele; zumindest nicht solche wie dieses“, sagt er und mit Blick auf die bunte Pracht unter uns.
Es ist eines der größten Korallenbecken der Welt. Über 100 verschiedene Korallenarten leben hier. Bevor wir das Becken für die Haie von oben sehen, erklärt Bas Arendts noch die Dimensionen dieser Ozeanhalle: „Wir haben hier acht Millionen Liter Meerwasser. In diesem Becken sind knapp zehn Prozent davon. Das sind rund 750 000 Kubikmeter, der Rest ist in den anderen Becken.“
Nebenan schauen wir von oben den Haien beim Kreisen zu. 12 Stück gibt es im Großbecken von Burgers Zoo. „Tintenfisch, Makrelen, Hering“, zählt der Tierpfleger das Futter für die Haie auf, während mein Blick einem riesigen Hammerhai unter mir folgt.
Viele Weibchen und ein Mann
René Rijken und Jan van Wageningen haben einen riskanten Job. Sie sind Tierpfleger im Bereich der Raubtiere. Die Löwen und Geparden werden jetzt gefüttert. In einem Landrover fahren wir über Nebenwege zum Gehege für die Löwengruppe. Alles Weibchen und ein Mann. Zunächst werden sie separiert, das heißt in einen abgetrennten Bereich gelockt. Allerdings gehen sie eher gemütlich und freiwillig dahin – denn sie wissen: Jetzt kommt das Futter.
Nachdem das Gitter zum Extra-Gehege geschlossen ist, fahren wir mit dem Landrover bis in Höhe der Holzhütte, aus deren innerem Besucher die Löwen beobachten können. Die Fleischstücke werden verteilt und aus dem Wagen heraus beobachten wir, wie der Run auf das Essen losgeht, nachdem das Gatter geöffnet wird. Genau beobachten die Tierpfleger das Verhalten der Gruppe. Der Löwe blickt grantig. Er scheint eines der Weibchen beschützen zu wollen. Die anderen fressen genüsslich im Liegen.
Den Abschluss des Tages bildet für mich die Fütterung der Geparden. Die Sechslinge aus dem Wurf vom September letzten Jahres warten in Reih und Glied aufreiht in Lauerstellung auf ihre Fleischstücke, die per Wurf über das Gitter bei ihnen landen. Alle stürzen sich gleichzeitig auf eines der Fleischstücke. Leisen Fauchen ist zu hören.
„Das Fressen dauert jetzt rund eine halbe Stunde“, sagt der Tierpfleger. Während man weiter die Geparden beim Fressen beobachtet, verabschiede ich mich. Mein Praktikumstag ist zu Ende. In der Nacht, überlege ich, werde ich bestimmt von gemütlichen Seekühen, kuschelnden Erdferkeln und grantig blickenden Löwen träumen.
Infos zu Burgers Zoo gibt es hier https://www.burgerszoo.de