Idyllische Atmosphäre ist wohl die beste Bezeichnung für das, was Besucher des Fischerdorfes Vitt auf Rügen erwartet. Wer das kleine Fischerdorf nahe Kap Arkona, der nördlichsten Spitze der Insel Rügen, besucht, ist begeistert von der kleinen Ansammlung reetgedeckter Häuser, die sich in einer schmalen Schlucht zusammenpressen.
Den Pkw haben wir im Ort Putgarten, knapp zwei Kilometer entfernt, geparkt. Denn die Halbinsel Wittow ist ab Putgarten bis zum Kap Arkona und dem seitlich davon liegenden Vitt autofrei. Nur zu Fuß, mit Rad, Kutsche oder – wie wir – mit dem Zug auf Rädern kommt man zum Ziel.
Vom Haltepunkt der Kap Arkona Bahn oberhalb der Schlucht geht es zu Fuß vorbei an der Vitter Kapelle über einen Fußweg bergab. Schon bald tauchen die ersten Reetdächer zwischen den Blättern der Bäume auf. Dann betritt man das Fischerdorf. 30 Einwohner soll der Ort haben. Nur noch eine Familie widmet sich der Fischerei, andere betreiben ein Restaurant, wieder andere ein Café. Einige der Häuser werden inzwischen an Urlauber vermietet.
Der Fußweg führt weiter bergab, windet sich neben dem Hauptweg zum Ufer vorbei an kleinen denkmalgeschützten Fischerhäusern.
Im 10. Jahrhundert gegründet
Wann Vitt gegründet wurde, hat niemand genau feststellen können. Die erste urkundliche Erwähnung gab es 1290. Ein Geschichtsschreiber aus der Zeit, als die Dänen Kap Arkona eroberten, meint, das Dorf habe bereits im 10. Jahrhundert als Fischerhafen existiert. Was der Ortsname bedeutet, ist ebenso ungeklärt. Einige vermuten, dass Vitt vom schwedischen Wort „Vitten“ kommt und somit „Handels- und Stapelplatz“ heißt. Sicher ist, dass die Vittener ihren Lebensunterhalt mit den Fischen der Ostsee sicherten.
Der breite Fußweg führt direkt Richtung Ufer. Dann öffnet sich die schmale Schlucht zum Meer, der Blick fällt auf das einige Kilometer entfernt liegende steile weiße Kliff von Kap Arkona. Zuhauf strömen die Besucher in den Ort. Sie stehen oder sitzen am kleinen Platz, beobachten die Fischer bei der Arbeit und genießen einen Kaffee auf der kleinen gemütlichen Terrasse des Cafés oberhalb des Ufers. Einige brechen zu Wanderungen über die hellen Ufersteine Richtung Kap Arkona auf.
Auf dem kleinen Platz, dem Dorfplatz, wird gemütlich aber stetig gearbeitet. Fischerboote liegen an einem Steg, Fischkisten zeugen vom Fang der Fischer, die roten Wimpel der Reusen liegen geordnet zwischen an Land gezogenen Booten. In der Luft liegt der Geruch von herb riechendem Buchenholz-Rauch. Eine Steinmole schützt Hafen und Dorf vor den Wellen der Ostsee. Der Wind pustet ständig in Vitt. Stundenlang kann ich hier auf der Terrasse sitzen, dem Treiben der Touristen und der Arbeit der Fischer zuschauen.
Als die Fischer nicht zum Gottesdienst kamen
Hier unten im kleinen Hafen machte sich Pastor Ludwig Gotthard Kosegarten unvergesslich. Der nämlich hatte um 1800 eine Pfarrstelle im wenigen Kilometer entfernten Ort Altenkirchen. Er ärgerte sich, dass die Fischer aus Vitt nicht zur Messe kamen. Denn die mussten am Ufer wartend nach lukrativen Heringsschwärmen Ausschau halten. Da verlegte der Pastor kurzerhand den Gottesdienst an das Ufer von Vitt. Bekannt geworden sind damals seine sogenannten „Uferpredigten“.
Die Open-Air-Gottesdienste des Pastors sprachen sich auf Rügen herum, sodass bald neben den Fischern auch Einwohner anderer Orte und selbst der Adel nach Vitt kamen, um dem Pastor zu lauschen. 1806 baute Kosegarten dann am Ortsausgang, am Eingang zur Schlucht, eine achteckige Kapelle. Ein Gemälde, das die gesamte Wand um die Eingangstür ausfüllt, erinnert bis heute an die Uferpredigten des Pastors.