An der Saalburg wurde 1904 Motorsportgeschichte geschrieben | Hessen

An der Saalburg bei Bad Homburg in Hessen fand 1904 ein Autorennen statt, das man als Vorläufer der heutigen Formel 1-Rennen sehen kann, das Gordon-Bennett-Rennen.

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Die Saalburg bei Bad Homburg war 1904 Startort für ein Autorennen durch den Taunus: das Gordon-Bennett-Rennen. Es war das erste Rundstreckenrennen in Deutschland, die Geburtsstunde des deutschen Grand Prix Motorsports. Hier liegen auch die Anfänge von Mercedes im Motorsport.

Ruhig liegt das breite Asphaltband in der Sonne. Touristenautos parken hier. Es ist der Parkplatz der „Saalburg“, des unter Kaiser Wilhelm II. nahe Bad Homburg rekonstruierten Römerkastells im Vortaunus. Was heute ein Parkplatz ist, war vor 110 Jahren Teil einer Rennstrecke. Sie zieht sich entlang der Kastellmauer mit Zinnen und dann weiter hinein in den Taunus.

Hier wurde 1904 Motorsportgeschichte geschrieben. Denn wo jetzt Büsche und Bäume das Straßenstück seitlich begrenzen, standen vor 110 Jahren Tribünen für das Gordon-Bennett-Rennen, das erste Rundstrecken-Autorennen auf deutschem Boden. Den Vorläufer des Formel 1-Grand Prix, wenn man so will. Rechts, gegenüber dem Kastell, war die Tribüne mit der Loge für den Kaiser. 2500 Zuschauer verfolgten 1904 im Start-Ziel-Bereich das legendäre Rennen.

Die Geburtsstätte des Grand-Prix

Hier aber ist nicht nur die Geburtsstätte des deutschen Grand-Prix-Sports, hier ging auch der Stern von Mercedes als Weltkonzern und wenig später – bei einem Nachfolgerennen – der von Opel auf. Und: Die für das Rennen angetretenen Automobilclubs gründeten hier die Vorläufer-Organisation der Fédération Internationale de l’Automobile – die FIA.

Juni 1904. Vor der Saalburg liegen Start und Ziel des Gordon-Bennett-Rennens. Der deutsche Kaiser hat den Taunus als Austragungsort für das Autorennen festgelegt. 141 Kilometer lang ist die Strecke. Sie führt über öffentliche Straßen. Von der Saalburg geht es über Usingen, Weilburg, Limburg, Idstein und über Homburg wieder zur Saalburg. Viermal muss die Strecke umrundet werden. Das sind insgesamt 564 Kilometer. Ein heißer Kampf wird erwartet.

Der Gordon-Bennett-Preis wurde seit 1900 vom Automobile-Club de France (ACF) veranstaltet. Namensgeber und Stifter des Preises ist der US-amerikanische Zeitungsverleger James Gordon Bennett, ein Gründungsmitglied des ACF. Er war der Herausgeber des „New York Herald“ und versprach sich vom Wettkampf der Nationen eine Auflagensteigerung seiner Zeitung. Mit dem Gordon-Bennett-Rennen begann im Autorennsport der internationale Wettkampf zwischen Automarken. 1900 wurde das Gordon-Bennett-Rennen erstmals ausgetragen. Bisher kannte man keine Rundstreckenrennen.

Jedes Land darf drei Rennwagen stellen

Im Taunus sind nun 20 Autos aus sieben Ländern am Start. Deutschland, England, Frankreich, Österreich, Belgien, Italien und die Schweiz nehmen teil. Jedes Land darf drei Fahrzeuge stellen. Die zweisitzigen Fahrzeuge (ein Mechaniker musste auf dem Beifahrersitz dabei sein), die von den nationalen Automobilclubs gemeldet werden, müssen vollständig im eigenen Land hergestellt worden sein.

Die Wagen sind in Nationalfarben gehalten. Weiß für Deutschland, Rot für Amerika, Gelb für Belgien, Blau für Frankreich und Grün für Großbritannien – letzte Farbe hat sich für den britischen Motorsport übrigens bis heute gehalten. Wie heute beim europäischen Gesangswettbewerb fand das jeweils nächste Rennen – man fuhr ein Mal im Jahr – im Herkunftsland des Siegerautos statt.

Camille Jenatzy holte das Rennen nach Deutschland

Ein damals bekannter Rennfahrer, der Belgier Camille Jenatzy, hatte 1903 in Irland mit einem 60PS-Mercedes für Deutschland bzw. den Kaiserlichen Automobilclub, den Vorläufer des AvD, gewonnen. So kam das Rennen 1904 nach Deutschland und auf Wunsch des Kaisers dann in den Taunus. Rennfahrer Jenatzy wurde später übrigens die Werbefigur der Firma Bosch und populär unter seinem Spitznamen „Der rote Teufel“, den er wegen seines roten Barts und der roten Haare erhalten hat.

Ich gehe die lange Start-Ziel-Gerade neben der Saalburg lang. Vorbei an den geparkten Wagen der Ausflügler. Wie mag es hier vor 110 Jahren ausgesehen haben? Der Kaiser, ein Freund der Antike, hatte gerade die Saalburg wiedererstehen lassen. So sollte nun auch die Tribüne für das Rennen zum Bauwerk passen. Sie sollte im Stil eines römischen Zirkus sein. Für 95.000 Goldmark (das dürften über 300 000 Euro sein) wurde die Tribünenanlage (Eintritt 50 Mark/ fast 250 Euro) vom Homburger Architekt Louis Jacobi – er baute auch die Saalburg – errichtet.

Unter den Sitzreihen gab es Restaurants, Salons, ein Postamt, Pressezimmer und Andenkenläden. Über die Rennstrecke führte eine Brücke mit einer Anzeigetafel. Auf der wurden die Rennzeiten per Hand notiert. Es gab zehn Telefonzellen für die Journalisten aus ganz Europa im Start-Ziel-Bereich. Mehr als 50 Postbeamte an zehn Annahmestellen waren für Telegramme zuständig. In der Mitte der Tribüne befand sich in zwei Metern Höhe die Kaiserloge.

Opernaufführung und Festbankett

Die Veranstaltung selbst dauerte mehrere Tage. Neben dem Renntag am 17. Juni gab es vorher und danach noch eine Opernaufführung, Festbankett und den Concours D´Elegance. Etliche Königs- und Fürstenhäuser waren unter den Gästen vertreten.

Etwas weiter bergab, dort wo die Busse der Saalburgtouristen parken, kann man zwischen Bäumen und Büschen im Waldgebiet ein Gebäude entdecken. Das heute von Imkern genutzt Haus war eine Straßenbahnhaltestelle. Dort kamen zum Rennen die Bahnen im 10-Minutentakt an, brachten die Zuschauer von Homburg zur Rennstrecke. Bis 1937 wurde das im römischen Stil errichtete Häuschen als Trambahnhaltestelle genutzt.

1904 hat der Mercedes für das Rennen 90 PS. Es gab vier Gänge, einen Vierzylinder-Motor mit 8,7 Liter Hubraum und Magnetzündung, trieb über einen Kettenantrieb die Hinterräder an. Spitzengeschwindigkeit: 160 km/h. Für Deutschland geht neben Mercedes ein Opel-Darracq an den Start. Und der wird von Fritz Opel gesteuert.

19 Piloten aus sieben Ländern

19 Piloten aus sieben Ländern gehen an den Start. Rund eine Million Zuschauer sollen an der Strecke im Taunus gewesen sein. Da die Fahrt auch durch Ortschaften führte, wurde dort das Rennen neutralisiert. Um für alle Rennfahrer die gleiche Durchfahrtzeit zu gewährleisten, fuhr dort ein Fahrradfahrer vor dem jeweiligen Auto. Und der durfte nicht überholt werden. In den Ortschaften waren auch die Stände für den Reifenwechsel. Michelin, Continental und Dunlop waren vertreten. Da es an der Strecke keine Tankstellen gab, wurden 27 Benzin- und Ölstationen erreichtet.

Gewonnen hat am Ende ein Franzose. Léon Théry in einem Richard-Brasier. Denn dem führenden Jenatzy ging das Benzin aus. Mit seiner Reservemenge rollte er langsam weiter, kam als zweiter ins Ziel. Fahrzeit des Siegers: 5:50:11 Stunden.

Das „Gehalt“ von Jenatzy (gezahlt von der Daimler-Motoren-Gesellschaft) war übrigens ein 40 PS-Mercedes. Für Mercedes führte das Rennen zum Erfolg finanzieller Art. Rund 200 Neuwagen wurden in den ersten zwei Wochen nach dem Rennen verkauft. Der Kaiser gehörte zu den Kunden, auch Henri Rothschild und viele deutsche Adlige.

Bereits im Jahr darauf fand das Rennen sein Ende. Nochmals gewann Léon Théry. Der Grund fürs Ende: die Franzosen waren unzufrieden mit der Regel des Rennens, nach der nur drei Wagen pro Land zugelassen waren. Frankreich nämlich hatte viele Autohersteller, die dadurch nicht zum Zuge kamen. Gordon Benett veranstaltete übrigens auch ein Ballonrennen, den Coupe Aéronautique Gordon Bennett. Und der wird bis heute durchgeführt.

Das letzte Internationale Autorennen in Deutschland

Noch einmal nach 1904 wurde an der Saalburg ein Autorennen gestartet. Das war 1907 und es sollte das letzte internationale Autorennen auf deutschem Boden vor dem 1. Weltkrieg werden. Der Kaiserpreis am 13. und 14. Juni.

Der Kaiser stiftete den Ehrenpreis für das nur ein Mal ausgetragene Rennen, mit dem die deutschen Autohersteller ihre Leistungsfähigkeit bei Autorennen beweisen wollten. Das Kaiserpreisrennen war aber kein Wettbewerb für Rennfahrzeuge, sondern eine internationale Straßenprüfung für Tourenwagen. 92 Wagen von 42 Marken wollten teilnehmen, sodass es sogar Ausscheidungsrennen geben musste. Sieger wurde der Italiener Felice Nazzaro im Fiat. Carl Jörns im Opel wurde 3. und gewann den Kaiserpreis als bester deutscher Wagen. Damit erhielt Opel den Status als Hoflieferant.

Nach einigen hundert Metern endet die Straße, die einmal die Start-Ziel-Gerade war. Die Tribüne existiert heute nicht mehr. Sie wurde wenige Tage nach dem ersten Rennen bereits wieder abgerissen. Im Wald, nur wenige hundert Meter zog sich der römische Limes, hinter der Saalburg kann man erkennen, wo die Rennstrecke hier einmal weitergegangen ist. Noch heute kann man etwas weiter entfernt die Strecke, da sie über öffentliche Straßen führte, nach fahren.

Neben den parkenden Autos steht ein Gedenkstein mit einer Erinnerung an das Gordon-Bennett-Rennen von 1904. Er wurde 2004 bei einer Revivalveranstaltung hier aufgestellt.

 

Einen Beitrag über die Saalburg lesen Sie HIER

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